Lisa Brausch, die Landesvorsitzende des SLLV, in der neuen Ausgabe der SLLV-Zeitschrift: Mehr als ein Vorwort…….
Mehr als ein Vorwort …
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich schreibe dieses Vorwort am Ende der ersten Schulwoche nach Beginn des Experimentes „Regelbetrieb“. Fünf Tage ist das neue Schuljahr erst alt und es ist schon viel passiert. Aktuell befinden sich 10 Klassen in Quarantäne. Wie die Situation aussehen wird, wenn Sie dieses Vorwort lesen? Wer weiß … Die Ministerin zeigt sich in der Öffentlichkeit zufrieden mit dem Schulstart. Für mich mehr als verwunderlich, erlebe ich doch eine große Verunsicherung in den Kollegien, bei Schülern und Eltern. Besonders ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass den Schulleitungen nicht gestattet wurde, bei Reiserückkehrern ein negatives Testergebnis einzufordern. Es ist unverantwortlich, Schülerinnen und Schülern, die erst vor Kurzem aus einem Risikogebiet zurückgekommen sind, den Zugang zum Unterricht ohne Kontrolle zu erlauben. Man kann nicht davon ausgehen, dass alle Eltern die Testpflicht nach der Reise in ein vom RKI benanntes Risikogebiet ernst nehmen. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Datenschutz und Persönlichkeitsrecht haben nach meiner Auffassung zurückzustehen vor dem Schutz aller! Viele Lehrerinnen und Lehrer hatten in der vergangenen Woche nur zwei Möglichkeiten, entweder sie hielten sich an die Vorgaben des Musterhygieneplans, was das Lüften in den Klassenräumen angeht, und ließen die brütende Hitze in die Räume oder sie ließen die Fenster verschlossen und riskierten, dass in der abgestandenen Luft die Aerosole freies Spiel hatten. Andere hatten gar keine Möglichkeit, richtig zu lüften, da sich die Fenster nur kippen lassen. Da sind wir schon wieder beim Thema Geld für Bildung. Längst hätten alle Klassenräume mit Lüftungssystemen ausgestattet werden können. Wertvolle unterrichtsfreie Zeit zur Vorbereitung in den Sommerferien hat man verstreichen lassen! Viel diskutiert wurde auch die Maskenpflicht im Unterricht. Nach Meinung des SLLV ist sie nicht umsetzbar. Bei hohen Temperaturen werden Masken zum gesundheitlichen Problem, sie werden außerdem lästig und werden oft nicht sachgemäß getragen. Aber auch aus pädagogischen Gründen stellen sie ein Problem dar. Unterricht lebt von Kommunikation, diese funktioniert nur schwer, wenn man die Mimik außen vor lassen muss, ganz zu schweigen von Verständnisproblemen. Da die in den letzten Jahren so intensiv eingesetzten schülerzentrierten Unterrichtsformen weitestgehend dem Frontalunterricht weichen müssen, kommt es mehr denn je auf eine korrekte und alle erreichende Lehrersprache an. Eine weitere große Gefährdung im Zusammenhang mit der Verbreitung des Virus stellt die Schülerbeförderung dar. Kinder und Jugendliche werden dicht gedrängt in übervollen Bussen gefahren. Da kann man in den Schulen noch so gut aufpassen, dass es nicht zu Vermischungen der Gruppen kommt, Infektionsketten, die beim Transport entstehen, werden nur sehr schwer in den Griff zu bekommen sein. Warum wird jetzt erst von den verantwortlichen Ministerien eine Beratung zum Schülertransport angegangen? Diese hätte doch direkt nach Festlegung des Vollbetriebes, welche ja schon vor den Sommerferien angekündigt wurde, erfolgen müssen! Der SLLV hatte diesbezüglich schon bei der Wiederaufnahme der Teilbeschulung im Ministerium darauf aufmerksam gemacht. Ein riesiges Problem stellt auch die enge Personaldecke dar. Diese wurde jetzt endgültig an ihre Grenzen gebracht, nachdem klar war, dass Schwangere nach einem vom BAD ausgesprochenen Beschäftigungsverbot nicht im Präsenzunterricht eingesetzt werden können. Hier rächen sich die Fehler der Vergangenheit. Die in manchen Schulformen unzureichende Einstellungssituation hat viele Lehrerinnen und Lehrer in andere Bundesländer auswandern lassen, wo sie sofort eine Planstelle bekommen haben. Diese enge Personaldecke führt zur Überbelastung der Kolleginnen und Kollegen. Aufgrund der zu vermeidenden Gruppenmischung führen sie auch noch die getrennten Pausenaufsichten bei ihren Schülerinnen und Schülern und können am Schulmorgen kaum Luft schnappen. Hierfür könnte man auch anderes Personal einsetzen. Außerdem überlegen sich die Lehrerinnen und Lehrer genau, ob sie es verantworten können, sich zu einer Fortbildung anzumelden, weil wirklich keiner ausfallen darf, ohne dass das System zusammenbricht. Besonders hart trifft es die vulnerablen Lehrkräfte, die nach einer 70-minütigen Tragezeit ihrer FFP2-Maske eine halbstündige Tragepause einlegen sollen. Die Zeit der Tragepause wird ihnen nicht auf die Arbeitszeit angerechnet. Das kann doch nicht sein, sind gerade sie doch durch den Präsenzunterricht besonders gefährdet!
Was würde helfen?
– Kleinere Klassen! Bei der Teilbeschulung hat sich gezeigt, wie effektiv in kleineren Gruppen unterrichtet werden kann. Seit Jahren fordert der SLLV die Reduzierung des Klassenteilers, nichts ist dahingehend passiert.
– Eine über die Grundversorgung hinausgehende Überpersonalisierung der Schulen, auch dies ist eine langjährige Forderung unseres Verbandes. Nichts passiert!
– Verbesserung der räumlichen Ausstattung – längst überfällig! Belüftungssysteme müssen dringend eingebaut werden!
– Schnellstmögliches Vorantreiben der digitalen Infrastruktur, damit wir auch im Distanzunterricht, der unweigerlich für viele Realität werden wird, alle erreichen
können. Dazu gehören das Bereitstellen von Endgeräten, Personal für den Support und die Administration sowie Zeit für Fortbildungen.
– Mehr Geld für Bildung, für Schülertransport, Ausstattung und Personalisierung – das sind die Mittel,
die wirklich greifen würden!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein düsteres Bild, das ich Ihnen hier aufgezeichnet habe. Aber es ist traurige Realität. Wir als Ihre Interessenvertretung werden uns weiter vehement bei den Entscheidungsträgern und in der Öffentlichkeit für Verbesserungen einsetzen. Das ist das Einzige, was wir Ihnen versprechen können.
Bleiben Sie gesund!
Ihre
Lisa Brausch