Vorwort von Elke Boudier, Stellvertretende SLLV-Landesvorsitzende und Referentin für Gemeinschaftsschule, in der neuen Juni-Ausgabe der SLLV-Zeitschrift „Lehrer und Schule heute“
Spagat zwischen Homeschooling, Präsenzunterricht und Abschlussprüfungen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir befinden uns inzwischen im vierten Monat der CoronaPandemie und es ist kein Ende in Sicht.
Die Auswirkungen sind für Eltern, Schülerinnen und Schüler, Kolleginnen und Kollegen, die gesamte Wirtschaft immens. In allen Schulformen gibt es eine große Beanspruchung der Lehrerinnen und Lehrer. Sie ergibt sich aus den unterschiedlichen Schulgrößen, den Fächern der Kolleginnen und Kollegen und der Anzahl der nicht anwesenden vulnerablen Kräfte an den einzelnen Schulen. Den Schulleitungen werden in Kürze immer wieder neue organisatorische Meisterleistungen bei der Umsetzung des Musterhygieneplans, der Aufteilung von Lerngruppen, der Organisation von bis zu drei Abschlüssen abverlangt. Die Vorgaben des Ministeriums zur Beschulung der unterschiedlichen Jahrgänge führen je nach Schulgröße zur Beschulung im Schichtsystem, zum Wechsel zwischen Homeschooling und Präsenzunterricht und zur tageweisen Beschulung von einzelnen Jahrgängen. Als Folge erhalten Kolleginnen und Kollegen wochenweise aktualisierte Stundenpläne, Eltern mit mehreren Schulkindern verlieren die Übersicht, wann welches ihrer Kinder wie beschult wird, wünschen sich mehr Konsistenz, wieder andere fordern gerade den Wechsel zwischen „Früh- und Mittagsschicht“ für ihre Kinder ein. Die Entscheidungen des Ministeriums suggerieren so manches Mal, dass der Elternwille über allem anderen steht. Demgegenüber bitte ich zu bedenken, dass auch Lehrerinnen und Lehrer oftmals Eltern sind, die für ihre Kinder einen Platz in der Notbetreuung brauchen. Haben sie diesen, so kann es vom Träger oft nicht nachvollzogen werden, dass sich die Arbeitszeiten so oft ändern, weil man auch in der Notbetreuung Planungssicherheit braucht. Selbst wenn der Partner nicht im öffentlichen Dienst, gar in Kurzarbeit ist, berichten viele Kollegen, dass auch dieser nicht so flexibel sein kann, weil ihm oder ihr auch Pläne oder Besprechungen vorgegeben werden, die nicht immer wieder geändert werden können.
In jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Es wird von den Kollegen gesprochen, die vermeintlich zu wenig arbeiten. In großen Schulen kann es dazu führen, dass diese Kolleginnen und Kollegen verstärkt zur Vertretung oder zur Mithilfe bei organisatorischen Aufgaben herangezogen werden.
Das Gros der Kolleginnen und Kollegen befindet sich aber im Spagat zwischen Homeschooling, Präsenzunterricht und Abschlussprüfungen. Kleinere Schulen stemmen gegebenenfalls noch die Notbetreuung, die in einigen Schulen inzwischen von den Trägern der Nachmittagsbetreuung oder den pädagogischen Hilfskräften des Ganztags übernommen wird.
Das Homeschooling kam mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen. Am Freitag, dem 13.3., ein Schelm, wer Böses dabei denkt, kam die Anweisung vieler Schulleitungen an die Klassenlehrer und Tutoren, zu überprüfen, ob alle Mailadressen der Erziehungsberechtigten beziehungsweise der Schülerinnen und Schüler vorlägen. Letztere wurden angehalten, alle Bücher und Arbeitsmaterialien mitzunehmen. All dies klappte mehr oder weniger, sodass ab Montag, dem 16.3., das Homeschooling begann – oder sollte ich provokant sagen, die Selbstausbeutung einer Vielzahl engagierter Lehrerinnen und Lehrer?
Das Homeschooling wurde uns übergestülpt. Niemand spricht von verbindlichen Arbeitszeiten, schnellen Datenverbindungen, fehlendem Datenvolumen oder der Benutzung der eigenen Endgeräte.
Zum Wohle der Schülerinnen und Schüler überfordern sich Kolleginnen und Kollegen oftmals selbst. Die Datenschutzverordnung war zunächst zweitrangig. Es galt, alle Schülerinnen und Schüler zu erreichen. Da wurde auf WhatsApp und private E-Mail-Accounts zurückgegriffen, nur um Kontakt halten beziehungsweise aufnehmen zu können. Eine alle überfordernde Situation führte dazu, dass Nachrichten an die Lehrpersonen zu allen möglichen und unmöglichen Uhrzeiten geschickt wurden. Wer wollte es ihnen verwehren in diesen schwierigen Zeiten? Hier fühlen sich engagierte Lehrer von ihrem Dienstherrn alleingelassen. Kolleginnen und Kollegen versuchen, der Situation gerecht zu werden. Sie verbringen eine Vielzahl von Stunden am heimischen Computer auf der Suche nach geeignetem Unterrichtsmaterial. Anders als vielfach behauptet durchforsten sie unterschiedliche Lernplattformen. Infolgedessen brachen viele kurzfristig unter dem enormen Ansturm der Benutzer zusammen. Dies betraf auch die vom Ministerium favorisierte Plattform „Online Schule Saar“. Natürlich waren dort auch vor der Krise schon einige Schulen registriert, der dann folgende Ansturm auf die Registrierung ist aber nicht der breiten Zustimmung geschuldet, sondern unter anderem dem Wunsch nach datenschutzkonformem Arbeiten. Es ist auch dieser Plattform zuzugestehen, dass sie unter dem enormen Andrang zu Stoßzei-
ten immer wieder nicht zugänglich war. Es gibt überall Anlaufschwierigkeiten, aber sie jetzt als einzig wahre Möglichkeit darzustellen, ist nicht legitim. Schulen, die sich jetzt bemüßigt fühlten, diese Plattform zu nutzen, haben oftmals sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen, die neben ihrer Arbeitszeit zum Beispiel Videokonferenzen organisierten, um anderen die Einarbeitung zu ermöglichen oder zu erleichtern. Stellen Arbeitgeber oft Systemadministratoren oder ganze IT-Abteilungen, die sich um den Service und die Wartung kümmern, sieht der Schulbereich viel kümmerlicher aus. Da gibt es die Kollegen, die für ein Deputat von wenigen Stunden ganz nebenbei neue Programme aufspielen, Störungen beseitigen und vieles mehr, oder die pädagogische Hilfskraft, die ebenfalls stundenweise dabei hilft. Ein herzliches Dankeschön all denen, von denen wieder mal nicht explizit gesprochen wird! Bei welchem Arbeitgeber gibt es das sonst: Es wird ein System eingeführt, man erwartet, dass die Angestellten damit arbeiten, aber die Fortbildungen werden nachgeschoben? Das Bildungsministerium würde jetzt auch auf die Hilfe zum Beispiel der IT-Fachkräfte der Landkreise hinweisen. Egal ob Landkreise oder Regionalverband zuständig sind, wie viele Schulen haben einzelne Mitarbeiter zu betreuen? Ich denke, es gibt niemanden, der sagen kann, dass IT-Probleme so schnell und effektiv zu lösen wären. Im Falle des Bildungsministeriums geschieht dies leider und es stellt sich leider auch nicht vor seine Beschäftigten, wenn diese in den Medien als nicht fortbildungswillig oder den digitalen Medien nicht affin dargestellt werden. Sind es wirklich die Lehrerinnen und Lehrer, die für die digitalen Strukturen Verantwortung tragen?
Natürlich kommt es gut an, wenn Kolleginnen und Kollegen eigene YouTube-Kanäle einrichten, um ihren Schülerinnen und Schülern den Unterrichtsstoff anschaulich darzubringen, oder mit ihnen Unterricht per Video abhalten, so sind direkte Nachfragen möglich. Dabei darf man aber nicht diejenigen verteufeln, die genauso per Telefon oder Mail für Rückfragen zur Verfügung stehen. Diese permanente Verfügbarkeit, die den Lehrern in den Medien oft abgesprochen wird, verführt aber einige Schülerinnen und Schüler dazu, vorschnell um Hilfe zu bitten: Ich frage schnell die Lehrkraft nach der Vokabel, die ich auch selbst hätte nachschlagen können.
Die 12. Klasse der Gemeinschaftsschulen ist seit dem 27. April mit voller Stundenzahl wieder im Präsenzunterricht,
ebenso hatte die 13. Klasse die Möglichkeit, ab diesem Zeitpunkt bis zu ihren Abiturprüfungen Unterrichtsstoff mit ihren Fachlehrern zu wiederholen.
Gerade im Bezug auf die 12. Klasse ist die Kursstärke oftmals ein Problem. Kurse müssen geteilt werden und Fachlehrer in zwei Räumen parallel unterrichten. Selbst wenn die technische Ausstattung gegeben ist, wird nicht in beiden Räumen gleich effizient gearbeitet. Lehrerinnen und Lehrer sind aber nur begrenzt verfügbar, sodass oftmals in Klassenstufe neun und zehn, die an Schulen mit Oberstufe noch zusätzlich unterrichtet wurden, die Kurse aufgeteilt und auch mit weiteren Fachlehrerinnen und Fachlehrern bestückt wurden, da es um die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss und mittleren Bildungsabschluss ging. Klassenstufe 11 hingegen wird nur an wenigen im Juni in der Schule unterrichtet.
So hat der SLLV die ministerielle Entscheidung begrüßt, dass anstelle landesweiter Abschlussprüfungen schulinterne Vergleichsarbeiten geschrieben wurden. Auch das stellte eine Mehrbelastung für Kolleginnen und Kollegen dar und der SLLV fordert Entlastung. In diesem Zusammenhang sei auch allen Förderschullehrerinnen und -lehrern sowie pädagogischen Hilfskräften gedankt, die an den Regelschulen arbeiten und personelle Lücken schließen!
Das Bildungsministerium zeigt sich allerdings uneinsichtig. Hätte man im Vorfeld mit allen Beteiligten geredet und die Verschiebung der Brückentage ins nächste Schuljahr in Aussicht gestellt, wäre der Unmut der Lehrerschaft nicht so groß gewesen. Auch Unternehmen verhängen eine Urlaubssperre, aber sie streichen die Tage nicht einfach. Es findet nicht einmal eine Differenzierung zwischen beweglichen Ferientagen und Ausgleichstagen statt. Letztere entsprechen immerhin einer im Vorhinein geleisteten Tätigkeit wie dem Tag der offenen Tür, die an einem Samstag erbracht wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie sich nicht unterkriegen, bleiben Sie gesund!
Kämpfen Sie weiter, der SLLV kämpft für Sie.
Elke Boudier