Stand zum Rechtsverfahren der amtsangemessenen Alimentation im Saarland
Stand zum Rechtsverfahren der amtsangemessenen Alimentation im Saarland
14. März 2023/Br_FG_Stand Alimentation2023
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zum Rechtsverfahren der amtsangemessenen Alimentation im Saarland kommen immer wieder Fra- gen aus der Mitgliedschaft. Zum einen, was ist mit den gestellten Anträgen seit 2011 und zum an- deren, was ist mit den gestellten Anträgen seit 2018 mit drei und mehr Kindern.
Wir möchten Ihnen mit diesem Informationsschreiben den aktuellen Stand zum Rechtsverfahren der amtsangemessenen Alimentation im Saarland nochmals ausgiebig erläutern, damit Sie auf Rück- fragen von Mitgliedern entsprechend Auskunft geben können.
Vorgeschichte
1. Komplex Verfahren BVerfG zur Besoldung im Saarland:
Das OVG des Saarlandes hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2018 festgestellt, dass die Besoldung der Beamten des Saarlandes in der Besoldungsgruppe A 11 in den Jahren 2011 – 2016 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen war und hat das Verfahren dem Bundes- verfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegt. Nach Auffassung des OVG ergeben sich beim Vergleich der Beamtenbesoldung mit der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindexes sowie des Verbraucherpreisindexes und unter Berücksichtigung des Ab- stands der untersten Besoldungsgruppe zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau ausrei- chende Indizien, die eine umfassende Betrachtung und Gesamtabwägung der Verfassungsmäßigkeit des Alimentationsniveaus erforderlich machen. Auch das VG des Saarlandes hat zur Richterbesol- dung das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Verhandlungster- mine hat das BVerfG hierzu noch nicht festgelegt. In diesem Fall ist das weitere Verfahren abzuwar- ten. Konkreter Handlungsbedarf besteht nicht.
Hohenzollernstraße 41 66117 Saarbrücken
Telefon (0681) 51708 Telefax (0681) 581817 Internet: www.saar.dbb.de E-Mail: post@dbb-saar.de
2. Entscheidungen des BVerfG zu Verfahren in anderen Bundesländern:
Zudem hat das BVerfG in seinen beiden Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur Richterbesoldung des Landes Berlin und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern in Nordrhein-Westfalen seine deutliche Rechtsprechung von 2015 zum Inhalt und Min- destmaß der Alimentation als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums fortgeführt und die Alimentationsrechte der Richterinnen und Richter und der Beamtinnen und Beamten gestärkt. Das BVerfG konkretisiert und verschärft mit diesen Entscheidungen seine 2015 entwickelten Grundsätze und Verfahren zur Überprüfung der Amtsangemessenheit der Beamten- und Richterbe- soldung, insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung des für die Ermittlung der Mindestalimen- tation maßgebenden sozialrechtlichen Existenzminimums. So muss der Abstand der untersten Be- soldungsgruppen zum Grundsicherungsniveau der Sozialhilfe mindestens 15 Prozent betragen. Nach diesen Vorgaben des BVerfG hat auch die Landesregierung 2022 auf Druck des dbb eine Über- prüfung der saarländischen Besoldungssituation vorgenommen.
Umsetzung der Gerichtsentscheidung unter 2.:
Nach dem Spitzengespräch zwischen der Landesregierung und den gewerkschaftlichen Spitzenor- ganisationen am 20. September 2022 wurde ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren eingelei- tet. Das vom Landtag im Dezember 2022 verabschiedete Gesetz ist rückwirkend zum 1.1.2022 in Kraft getreten. So wurden zur Sicherstellung einer verfassungsgemäßen Mindestalimentation die Grundgehälter der untersten Besoldungsgruppen in der ersten und zweiten Erfahrungsstufe sowie die Familienzuschlagserhöhungsbeträge erhöht. Zudem wurde der Familienzuschlag ab dem dritten Kind deutlich angehoben. Das maßgebliche sozialrechtliche Existenzminimum und die Nettomin- destalimentation wurden auf Grundlage saarlandspezifischer Daten für eine vierköpfige Bedarfsge- meinschaft ermittelt und sind Teil der Gesetzesbegründung (wir berichteten).
Die Maßnahmen im Einzelnen:
• Erhöhung der Grundgehälter in den ersten beiden Erfahrungsstufen der Besoldungstabelle und zwar in der ersten Erfahrungsstufe um 2,5 % (A4 -A7) und in der zweiten Erfahrungsstufe um 1,25 % (A4 – A10).
• Erhöhung des Familienzuschlags für das dritte und die weiteren Kinder rückwirkend zum 1. Januar 2022 auf 688,00 € und ab 1.12.2022 auf 707 Euro.
• Erhöhung der Familienzuschlagserhöhungsbeträge sowie Einbeziehung der Besoldungsgruppe A 6 in die Zuschlagsregelung (Stand 1.12.2022):
o für das erste Kind (Stufe 2) in den Besoldungsgruppen A 4, A 5 und A 6: 15,76 €, o für die weiteren Kinder (ab Stufe 3)
▪ in Besoldungsgruppe A 4: jeweils 63,07 €, ▪ in Besoldungsgruppe A 5: jeweils 42,05 €, ▪ in Besoldungsgruppe A 6: jeweils 21,02 €.
o Die Familienzuschlagserhöhungsbeträge nehmen künftig an linearen Besoldungsanpassun- gen teil.
Nach Ansicht der Landesregierung werden mit diesen Erhöhungen die Vorgaben des BVerfG (siehe 2.) rückwirkend zum 1.1.2022 erfüllt.
Was ist mit den gestellten Anträgen vor 2022 und wie geht es weiter?
Im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung und einer möglichen Rechtswahrung hatte der dbb den Beamtinnen, Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfängern empfohlen, in den jeweiligen Haushaltsjahren 2011 bis 2015 und 2018 bis 2022 einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation beim Dienstherrn zu stellen. Hierzu stellte der dbb Musteranträge zur Verfügung. Zudem stellte der dbb auch für die Beamtinnen und Beamten mit drei und mehr Kindern ab dem Haushaltsjahr 2018 entsprechende Musteranträge zur Verfügung. Die gestellten Anträge auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation seit 2011 haben Bestandskraft bis zur Entscheidung der BVerfG zu den Vorlagebeschlüssen des VG und OVG des Saarlandes aus dem Jahre 2018.
Hintergrund: Bisher hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen betont, dass nur diejenigen Beamtinnen und Beamten eine Nachzahlung erhalten, die ihre Ansprüche jeweils im laufenden Haushaltsjahr geltend gemacht haben.
Die gestellten Anträge in den jeweiligen Haushaltsjahren 2011 bis 2015 und 2018 bis 2021 unterlie- gen der noch ausstehenden Gesamtentscheidung des BVerfG. Über den weiteren Verlauf wird der dbb informieren. Dabei wird der dbb auch in Erwägung ziehen, ob angesichts der deutlichen Erhö- hung des Bürgergeldes (plus 11 Prozent) zum 1.1.2023 auch die Grundsicherung angehoben werden muss und ob dann noch der von der Landesregierung berechnete Abstand zum Grundsicherungsni- veau aus dem Jahre 2022 ausreichend ist (siehe 2.).
Zu den Anträgen „Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation für Beamte mit drei und mehr Kindern“ in den Jahren 2018 bis 2021 empfiehlt der dbb keinen Widerspruch einzulegen, da die Zentrale Besoldungsstelle (ZBS) diesen negativ bescheiden müsste und es zu Massenverfahren kom- men könnte, die nach der Rechtsschutzordnung des dbb nicht unterstützt werden. Etwaige Verfah- renskosten müssten dann von der Mitgliedsgewerkschaft oder der/dem Beamtin/Beamten (privater Rechtsschutz) getragen werden.
Vielmehr sollte abgewartet werden, bis das BVerfG eine Entscheidung zur amtsangemessenen Ali- mentation im Saarland getroffen hat.
Der dbb-Landesvorstand wird in den nächsten Monaten weitere Gespräche mit dem Innen- und Finanzministerium führen und Sie entsprechend informieren, auch über entsprechende Handlungs- bedarfe im Jahr 2023.
Für weitere Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung!
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Linn
Landesvorsitzender DBB Saar
Bericht als PDF-Datei: Br_FG_Stand Alimentation2023