Presseerklärung des SLLV vom 10.September 2020: Corona deckt Missstände an den Schulen schonungslos auf
Saarlouis, den 10. September 2020
SLLV – Corona deckt Missstände an den Schulen schonungslos auf
Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) stellt fest, dass es zu einer großen Verärgerung in der Lehrerschaft führt, wenn die Bildungsministerin von einem „guten Start ins neue Schuljahr“ spricht. Schon nach dreieinhalb Wochen werden die Schwachstellen in unseren Schulen schonungslos offengelegt.
Dort wo es schon lange vor Corona Handlungsbedarf gab, sei es nun bei der digitalen oder der räumlichen und personellen Ausstattung der Schulen, stehen die Schulsysteme schon nach wenigen Schulwochen mit dem Rücken an der Wand. Aus allen Schulformen hagelt es Kritik, die Lehrerkollegien schlagen Alarm.
Lisa Brausch, die Vorsitzende des SLLV, moniert: „Die Rahmenbedingungen in den Schulen wurden den Bedingungen der Pandemie nur unzureichend angepasst. Eine Rückkehr zum Präsenzunterricht war zum Wohle der Schülerinnen und Schüler erforderlich, das steht auch für den Verband außer Frage. Jedoch darf dies nicht zu jedem Preis geschehen, vor allem darf es nicht einzig zu Lasten der Lehrerschaft umgesetzt werden.“
Schon nach der kurzen Zeit im neuen Schuljahr ist die mobile Lehrerreserve aufgebraucht. Vertretungen müssen die Schulen größtenteils aus eigener Kraft stemmen. Und das schon jetzt, wo die eigentliche Grippewelle, wie sie in jedem Jahr zu Personalnot führt, noch gar nicht begonnen hat.
Bei weiteren Krankheitsfällen in der Lehrerschaft, muss auch über eine Beschulung im „Schichtbetrieb“ oder die Rückkehr zum Hybridunterricht nachgedacht werden.
Die Umsetzung des Hygieneplanes ist für alle Schulen eine große Herausforderung. Dass die Schüler vorgegebene Laufwege einhalten, sich möglichst wenig begegnen und zeitlich getrennte Pausen durchführen, sind dabei die geringsten Probleme.
„Dies alles zu überwachen, kommt zu den Aufgaben der Lehrer neben ihrer Hauptaufgabe, nämlich dem Unterrichten, auch noch hinzu“, ärgert sich Brausch.
Wenn es schon nicht gelingt, ausreichend Lehrkräfte vorzuhalten, sollte doch zumindest weiteres pädagogisches Personal eingestellt werden, um außerunterrichtliche Aufgaben zu übernehmen.
Durch die versetzten Pausenzeiten und die damit verbundene dauerhafte Erfüllung der Aufsichtspflicht, haben die Lehrkräfte keine Zeit sich mit Kollegen auszutauschen, geschweige denn selbst einmal die Toilette aufzusuchen.
Besonders in den Förderschulen ist ein Unterrichten auf Abstand in keiner Weise möglich. So können Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Beeinträchtigung nicht mal eben so im Frontalunterricht beschult werden. Sie haben Bedarfe, die mit Körpernähe verbunden sind.
Wie aber sieht es mit dem Einhalten der Vorgaben zum Händewaschen, der Raumlüftung, oder zur Größe der Klassenräume aus?
Hier fordert der Verband schon seit langem, dass die Gebäude den heutigen Standards angepasst werden müssten. Die Sanierung vieler Schulgebäude wird von Schulträgern seit Jahren immer wieder verschoben. Der SLLV fordert zumindest, dass schnellstmöglich Lüftungsanlagen installiert werden.
Zudem verschärft die Pandemielage auch die Notwendigkeit kleinerer Lerngruppen, dies bedeutet im Klartext: keine Klasse über 20 Kinder!
In den Grund-, Gemeinschafts- und Förderschulen zeige sich ganz deutlich, dass sich die Heterogenität der Schülerschaft nach der langen Zeit des Homeschooling deutlich verschärft habe. Hier könne nur durch zusätzliche Fördermaßnahmen und weitere Unterstützungssysteme gegengesteuert werden.
Hie stellt Brausch fest: „Auch die Unterrichtsqualität leidet deutlich unter Corona. Mühsam erarbeitete offene Unterrichtsformen oder Projektunterricht lassen sich unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr umsetzen. Der Unterricht muss hauptsächlich frontal gestaltet werden, was den heutigen Bedarfen eigentlich nicht mehr entspricht.“
Auch wenn die Politik bereits begriffen habe, dass eine erneute Beschulung im Hybridunterricht nur mit der nötigen digitalen Ausstattung von Schüler- und Lehrerschaft umzusetzen wäre, sei es nicht gelungen in diesem Bereich voran zu kommen.
„Ausreichend Geräte zu beschaffen, in einer Zeit, in der jedes Bundesland Bedarf anmeldet, ist nicht möglich. Hier gilt es bürokratische Hürden so gut es geht abzubauen. Die Schulen hinken der digitalen Entwicklung weiterhin hinterher und wir müssen aufpassen, dass die Geräte, wenn sie denn endlich in den Schulen ankommen, noch auf dem neuesten Stand der Entwicklung sind.“
Die dringend erforderlichen Fortbildungen können durch enge Personaldecke nicht wahrgenommen werden.
Schon seit vielen Jahren fordert der SLLV kleinere Klassen, mehr Lehrer und mehr pädagogisches Personal an Schulen, die Renovierung der Schulgebäude sowie den Ausbau der digitalen Ausstattung.
Dass die Politik diese langjährigen Forderungen konsequent ignorierte, fällt der Gesellschaft nun, gnadenlos offenbart durch die Pandemielage, vor die Füße und stellt ein Armutszeugnis dar.