LuSh – Ausgabe 12/2021 – Aus dem SLLV – Anfragen an die Parteien vor der Landtagswahl im März 2022
Wahlprüfsteine
Anfragen an die Parteien vor der Landtagswahl im März 2022
1. Allgemeine Forderungen
Die Coronapandemie hat es in aller Eindringlichkeit an den Tag gebracht, welche Rolle die Schulen in unserer Gesellschaft spielen. Der Begriff der Systemrelevanz der Schulen ist in aller Munde. Schulleitungen und Lehrkräfte haben in dieser besonders schwierigen Zeit große Herausforderungen gemeistert und sind dabei an ihre eigenen Grenzen gegangen. Eine Anerkennung dieser besonderen Leistungen ist allerdings bis jetzt noch nicht erfolgt.
- Wie steht Ihre Partei dazu, den Lehrkräften aufgrund der besonderen Belastungen in der Coronapandemie eine Prämie zukommen zu lassen?
- Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Schulen von außerunterrichtlichen Aufgaben entlastet werden und sich ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Bildungs- und Erziehungsauftrag, wieder intensiver widmen können?
- Welche Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheit der Lehrkräfte sind nach Ihrer Auffassung erforderlich?
- Wie steht Ihre Partei dazu, dass Junglehrer nach ihrer Festanstellung zum Teil monatelang auf ihr Gehalt warten müssen?
- Wie sorgen Sie für attraktivere Funktionsstellen in den Schulen?
- Welche Möglichkeit der Entlastung der Kolleginnen und Kollegen, die sich vor dem Ruhestand befinden, ziehen Sie in Erwägung (z. B. Altersteilzeit wie in Rheinland-Pfalz, Ausweitung der Altersermäßigung).
2. Grundschule
Die Grundschule ist das Fundament schulischer Bildung, zu deren Aufgaben es gehört, alle Schülerinnen und Schüler ihren Begabungen entsprechend zu fördern und zu fordern und ungleichen Bildungschancen zu begegnen. Durch die Einführung der Inklusion und die hohe Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohne ausreichende Deutschkenntnisse sowie durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie stellt sich die Schülerschaft in den Grundschulen heterogener denn je dar. Dies erfordert einen immer stärker individualisierenden Unterricht mit hohem Vorbereitungsaufwand. Individuelle Förderung gestaltet sich in den teilweise zu großen Klassen äußerst schwierig. Deshalb wertet der SLLV es als ersten richtigen Schritt, dass der Klassenteiler in den ersten Klassen auf 25 reduziert wurde, wenngleich das nur ein Anfang sein kann.
Neben den eigentlichen Aufgaben des Unterrichtens und Erziehens haben sich die Aufgaben der Grundschullehrkräfte in den letzten Jahren massiv ausgeweitet. Hier sind zum Beispiel der ständig umfangreicher werdende Dokumentationsaufwand und die zahlreichen hinzugekommenen Aufgaben durch die Pandemie zu nennen wie Durchführung von Tests, Kooperation mit Gesundheitsamt sowie die Umsetzung der Hygienevorgaben. Diese Arbeitsverdichtung gefährdet die Gesundheit der Lehrkräfte. In absehbarer Zeit werden weitere Aufgaben auf die Grundschulen zukommen wie z. B. die Umsetzung der Digitalisierung, weitere Aufholprogramme und Ausweitung der individuellen Förderung.
Trotz dieses hohen Anspruchs der individuellen Förderung und der vielfältigen Aufgaben werden für die Grundschulen im Saarland nicht nur im Vergleich zu den anderen Schulformen sondern auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern die geringsten finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. So haben Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen immer noch die höchste Unterrichtsverpflichtung von 28 Wochenstunden im Vergleich mit den anderen Schulformen. Außerdem haben sie im Vergleich mit diesen auch die geringste Besoldung. Auch was die Struktur und Ausgestaltung der Schulleitung angeht, stellt die Grundschule das Schlusslicht dar. Dies hat zur Folge, dass es immer schwieriger wird, vakante Stellen im Bereich der Schulleitung zu besetzen, da sich wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen immer weniger geeignete Kandidatinnen und Kandidaten bewerben. Trotz dieser Tatsache wurde die Funktionsstellenstruktur der Grundschule immer noch nicht an die der anderen Schulformen angepasst.
Ein weiteres Problemfeld zeigt sich bei der Personalsituation. Im gesamten Bundesgebiet gibt es einen Mangel an ausgebildeten Grundschullehrerinnen und -lehrern. Dies stellt das Saarland vor besondere Herausforderungen.
Wie sieht Ihre Partei die Weiterentwicklung der Grundschule mit ihrer heterogenen Schülerschaft – auch im Hinblick auf die vergleichsweise geringen Finanzmittel für diese Schulform? Wie werden Sie mit dafür Sorge tragen, dass die Schulen mit multiprofessionellen Teams ausgestattet werden, damit Lehrkräfte sich wieder verstärkt ihren eigentlichen Aufgaben widmen können?
- Welche Möglichkeiten der dringend erforderlichen Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen ziehen Sie in Erwägung?
- Welche Möglichkeiten sehen Sie für einen Stufenplan zur Reduzierung des Klassenteilers?
- Wie stehen Sie zu Einführung einer Beratungszeit durch Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung?
- Wie werden Sie dafür sorgen, dass es zukünftig an allen Grundschulen verlässliche, attraktive Leitungsstrukturen gibt (Schulleiter/Schulleiterin und Konrektor/Konrektorin für alle Schulen, Anpassung der Leitungszeit an die anderer Schulformen, Reduzierung der Wartezeit auf die Beförderung, Höhergruppierung um eine halbe Besoldungsstufe wie in Rheinland-Pfalz)?
- Wie wollen Sie längerfristig die Unterrichtsversorgung an Grundschulen sicherstellen (kontinuierliche Einstellung bei vollem Gehalt, Ausweitung der mobilen Reserve)?
- Wie wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass alle Grundschulen mit dem erforderlichen Verwaltungspersonal ausgestattet werden?
3. Gemeinschaftsschule
Die Gemeinschaftsschule ist eine Schule für alle Schülerinnen und Schüler, unabhängig von Herkunft, sozialer Schicht und Lernvoraussetzungen. Auf Grund von Inklusion und der hohen Anzahl von Schülerinnen und Schülern ohne ausreichende Deutschkenntnisse bedarf es einer immer intensiveren individuellen Förderung, die die einzelne Lehrkraft kaum noch leisten kann.
Der SLLV fordert schon seit langem verstärkt Assistenzsysteme im Bereich von Schulsozialarbeit, Schulpsychologen, sonderpädagogischer Förderung, Hilfen zur Integration von Migrantenkindern und anderem. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie wichtig die Forderung des SLLV nach kleineren Klassen ist. Dies gilt nicht nur für die Aufarbeitung der Defizite, sondern ist generell einem positiven fordernden Unterrichtsgeschehen förderlich.
- Was unternimmt Ihre Partei, um die Akzeptanz der Gemeinschaftsschule gegenüber dem Gymnasium zu erhöhen?
- Wie werden Sie Sorge dafür tragen, dass die Gemeinschaftsschulen mit mehr sonderpädagogischem Personal und mit multiprofessionellen Teams ausgestattet werden?
- Was werden Sie für die dringend erforderlichen Entlastungen der Lehrerinnen und Lehrer an Gemeinschaftsschulen tun (Stundenreduktion/Systemzeit u. a.)?
- Welche Möglichkeiten ziehen Sie in Betracht, um den Klassenteiler deutlich zu reduzieren, damit individualisiertes Lernen besser gewährleistet werden kann?
- Wie werden Sie Sorge dafür tragen, dass die Kolleginnen und Kollegen in Halb- und Ganztag einen adäquaten Arbeitsplatz vorfinden?
- Wie wollen Sie erreichen, dass die Funktionsstellenstruktur an die spezifischen Bedarfe der Gemeinschaftsschule angepasst wird?
- Was plant Ihre Partei, damit die Ausstattung der Schulgebäude sowie die Umsetzung der digitalen Anforderungen zügig verbessert werden?
- Wird sich Ihre Partei für die Einführung von Werkstatttagen an der Gemeinschaftsschule einsetzen?
- Steht Ihre Partei hinter der Forderung des SLLV nach Gleichwertigkeit der Lehrämter in Ausbildung, Arbeitszeit, Besoldung und Funktionsstellenstruktur?
4. Förderschule und Inklusion
Es gibt zwei schulische Systeme, in denen Schülerinnen und Schüler mit einem Förderbedarf in den unterschiedlichen Entwicklungsbereichen unterrichtet werden: in Förderschulen und in Regelschulen. Eltern haben auf der Grundlage der Inklusionsverordnung die Wahl, welche Schulform ihr Kind besuchen soll. In beiden Bereichen sind die Bedingungen nicht so, dass die Förderung individuell und bestmöglich erfolgen kann. Mit Inkrafttreten der Inklusionsverordnung kam es zu einem Schülerrückgang an den Förderschulen und daraus resultierend zu Schulschließungen. Seit einigen Jahren hat sich dieser Effekt aber umgekehrt. Die Förderschulen verzeichnen einen starken Schülerzuwachs. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich in diesem Schuljahr so gesteigert, dass Förderschulen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Auch in den Regelschulen unterrichten viel zu wenige Förderschullehrkräfte, um ihrem Auftrag entsprechend individuell fördern und präventiv arbeiten zu können.
Der Bereich Förderschulen/Inklusion ist der einzige im saarländischen Schulsystem, in dem faktisch keine mobile Lehrerreserve zur Verfügung steht, so dass es in Krankheitsfällen zu einer erheblichen Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen kommt. In Förderschulen müssen langfristige Erkrankungen kompensiert werden, ohne dass eine Vertretung vorhanden ist. In Regelschulen können die notwendigen sonderpädagogischen Aufgaben nicht erledigt werden, so dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler keine entsprechende Förderung erhalten und die Regelschullehrerinnen und -lehrer noch stärker belastet werden.
Es stehen nicht ausreichend Sonderpädagoginnen und -pädagogen zur Verfügung, um den Bedarf zu decken. Stellen können teilweise nicht mit Förderschullehrerinnen und -lehrern besetzt werden. Dieser Mangel an ausgebildeten Förderschullehrkräften wird mittlerweile seit Jahrzehnten festgestellt und bemängelt, aber es werden keine Maßnahmen ergriffen, um den Fachkräftemangel zu beheben.
Seit einigen Jahren gibt es an Förderschulen immer mehr Schülerinnen und Schüler, die nicht nur in einem Entwicklungsbereich Förderbedarf haben und somit eine noch intensivere Förderung benötigen. Teilweise stellen sie Lehrkräfte vor große Herausforderungen, die unter den gegebenen Bedingungen nur schwer zu bewältigen sind. Dieser Entwicklung muss durch Verkleinerung der Klassen dringend Rechnung getragen werden.
An den saarländischen Förderschulen arbeiten hauptsächlich Pädagogische Fachkräfte. In der Regel sind das Erzieherinnen. Insbesondere an Förderschulen geistige Entwicklung müssen Pädagogische Fachkräfte Arbeiten übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind, da nur wenige Förderschullehrerinnen und -lehrer dort eingesetzt werden. Hier zeigt sich weiterhin der Mangel an Sonderpädagoginnen und -pädagogen, den Pädagogische Fachkräfte kompensieren. Sie übernehmen Aufgaben von Lehrkräften, ohne dafür ausgebildet zu sein.
Seit Jahren wird von „multiprofessionellen Teams“ gesprochen. Als erster Schritt wurde die Schulsozialarbeit ausgebaut. Dies reicht aber nicht aus, denn es werden weitere Fachkräfte benötigt, damit alle Kinder und Jugendliche, insbesondere die mit Förderbedarf, die ihnen zustehende Förderung, Unterstützung und Hilfe bekommen. Nur so kann Bildungsgerechtigkeit entstehen. Durch den dauerhaften Einsatz von multiprofessionellen Teams können Schülerinnen und Schüler bestmöglich gefördert, eventuelle Problemlagen gemildert bzw. vermieden und Kontinuität und Planbarkeit hergestellt werden. Neben den o. g. Schulsozialarbeiter/-innen werden dringend auch therapeutische Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Schulpsychologinnen und -psychologen und Schulgesundheitsfachkräfte benötigt.
- Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit das inklusive Bildungssystem so gestaltet wird, dass Schülerinnen und Schüler sowohl mit als auch ohne Behinderung zu Gewinnern des gemeinsamen Lernens werden?
- Werden Sie die finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sich die Situation spürbar verbessert?
- Wie werden Sie die Raumprobleme an den Förderschulen lösen?
- Wie stehen Sie zur Eröffnung neuer Förderschulen?
- Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Schüler-Lehrer-Relation an Förderschulen den schwieriger gewordenen Bedingungen angepasst wird?
- Wie wollen Sie dem allgemeinen Fachkräftemangel, z. B. bei Erzieherinnen und Erziehern, begegnen? Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, die kurzfristig helfen, aber auch langfristig eine spürbare Verbesserung bringen?
- Werden Sie dafür sorgen, dass auch dem Bereich Förderschulen/Inklusion eine mobile Lehrkräftereserve zur Verfügung steht?
- Wie sehen Sie die Möglichkeit, Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung personell so auszustatten, dass jeder Klasse eine Förderschullehrkraft fest zugeordnet wird und somit diese Schulform den anderen Schulformen gleichgestellt wird?
- Werden Sie dafür sorgen, dass den Schulen (endlich) multiprofessionelle Teams zur Verfügung stehen?
5. Lehrerbildung
Die Inhalte der Lehrerausbildung haben sich in allen Lehrämtern, vor allem aber auch im Bereich der Grundschule stark ausgeweitet. Durch veränderte Lernsituationen kommen unter anderem Themen wie Inklusion, Integration von Flüchtlingen, DAZ, Zusammenarbeit mit vorschulischen Einrichtungen hinzu, ebenso der Umgang mit heterogenen Lerngruppen, Förderdiagnostik und Förderplanung, Schullaufbahnberatungen, Zusammenarbeit mit außerschulischen Trägern und viele andere Themen.
Dies verlangt eine noch qualifiziertere Ausbildung, die nur in einem längeren Studium bewältigt werden kann, zumal die 2. Phase der Ausbildung verkürzt wurde.
- Wie steht Ihre Partei zur Anpassung der Studienzeit für das Lehramt an Grundschulen an die der anderen Schulformen?
- Wie stehen Sie zum Umfang des eigenverantwortlichen Unterrichtes und zu dessen Schwerpunkt als Ausbildungsunterricht?
- Steht Ihre Partei hinter der Forderung des SLLV nach Gleichwertigkeit der Lehrämter in Ausbildung, Arbeitszeit und Besoldung und Funktionsstellenstruktur?
6. Lehrkräftebedarf
Das Recht auf einen Ganztagsplatz ab dem Schuljahr 2026/27 erfordert einen hohen Personalmehrbedarf an ausgebildeten Grundschullehrkräften. Wie unter Punkt 4 bereits beschrieben, besteht auch im Bereich Sonderpädagogik ein erheblicher Lehrkräftebedarf.
Wie steht Ihre Partei zu folgenden Forderungen des SLLV in diesem Zusammenhang:
- Ausweitung der Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen an der Universität des Saarlandes
- Ausweitung der Ausbildungsplätze für die zweite Ausbildungsphase, personelle und räumliche Anpassungen im Studienseminar für die Primarstufe und im Studienseminar Sonderpädagogik
- Attraktivitätssteigerung für den Beruf des Grundschullehrkraft durch direkte Übernahme ins Beamtenverhältnis nach der Ausbildung und gleiche Besoldung wie in anderen Schulformen
- Wie werden Sie das Problem des Mangels an Sonderpädagoginnen und -pädagogen lösen? Werden Sie an Schulen und Universitäten für das Förderschullehramt werben? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Ausbildungskapazitäten erhöht werden? Werden Sie sich für Seiteneinsteigerprogramme einsetzen?
- Werden Sie sich für die Einrichtung eines Lehrstuhls Sonderpädagogik an der Universität des Saarlandes einsetzen?
Wir bitten Sie, zu unseren Forderungen Stellung zu beziehen und wären für eine entsprechende Stellungnahme
bis 31. Januar 2022
per E-Mail an info@sllv.de dankbar.
Aufgrund der Coronapandemie werden wir dieses Mal kein bildungspolitisches Forum vor der Wahl durchführen. Ihre Antworten werden wir unseren Mitgliedern unkommentiert und ohne jegliche Wertung weiterleiten sowie auf unserer Homepage und in den sozialen Netzwerken veröffentlichen.
Ihre
Lisa Brausch,
Landesvorsitzende