LuSh – Ausgabe 11/2022 – Vorwort – Novembertristesse in allen Schulen – besonders in den Förderschulen
Novembertristesse in allen Schulen – besonders in den Förderschulen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte Sie wieder einmal dazu einladen, mit mir einen Blick in die Förderschulen zu werfen. Was Sie dort aktuell sehen können, sind zu volle Klassen in zu engen Räumen mit zu wenigen Lehrkräften, denen die Erschöpfung anzusehen ist.
Förderschulen sind ein relativ kleiner Bereich im Schulsystem, der oftmals nicht beachtet, nicht mitgedacht und gerne auch mal komplett ignoriert wird. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Zum einen ist es einfach Gedankenlosigkeit, weil Förderschulen im Bewusstsein vieler nicht existieren. Zum anderen werden Förderschulen bei manchen aus ideologischen Gründen abgelehnt und haben in deren Augen deshalb keine Existenzberechtigung. Die Elternschaft dieser Schulform hat größtenteils nicht die Möglichkeiten wie andere Eltern, sich zu organisieren und sich für die Interessen ihrer Kinder einzusetzen, und protestiert bei Missständen nicht lautstark. Sie können sich nicht an die Medien wenden oder Schreiben ans Ministerium verfassen. Hinzu kommt, dass die Schülerinnen und Schüler nicht als zukünftige Leistungsträger unserer Gesellschaft gelten. Sind Förderschulen deshalb unwichtig und nicht beachtenswert? Nein, das sind sie selbstverständlich nicht, denn zum einen bieten die 40 Förderschulen im Saarland denjenigen Kindern und Jugendlichen mit verschiedensten Behinderungen und besonderen Unterstützungsbedarfen einen Lernort, an dem sie sich entfalten und wo sie individuell gefördert werden können. Zum anderen haben Förderschulen eine entlastende Funktion, denn sie können Schülerinnen und Schüler, die in den Regelschulen nicht zurechtkommen oder mit denen die Schulen nicht zurechtkommen, aufnehmen. Insofern sind Förderschulen (auch) eine Art Auffangstation und „Reparaturwerkstatt“ innerhalb des Schulsystems. Aus dieser Tatsache resultiert aber keine besondere Wertschätzung. Im Gegenteil: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass sie dem Förderschulbereich 130 Stellen wegnehmen und in den Gemeinschaftsschulbereich verlagern könne. So sieht es der nächste Haushaltsplan vor. Eine solche Entscheidung macht einen in einer Situation, in der Förderschulen aus allen Nähten platzen, weil sie einen enormen Schülerzuwachs haben, fassungslos. Noch dazu soll das in einer Zeit geschehen, in der der Lehrkräftemangel mehr denn je zum Tragen kommt, und in einer Zeit, in der es krankheitsbedingt zu einem hohen Ausfall von Lehrkräften kommt. Diese Entscheidung ist verantwortungslos gegenüber den Schülerinnen und Schülern und gegenüber den Lehrkräften. Seit Schuljahresbeginn haben die Förderschulen genauso wie Grundschulen damit zu kämpfen, dass ein Teil des Kollegiums ausfällt. Sie müssen irgendwie mit dem Lehrkräftemangel klarkommen, denn eine mobile Lehrerreserve gibt es im Förderschulbereich faktisch nicht.
Das sind keine guten Bedingungen für eine Reparaturwerkstatt. Der SLLV wird die Bilder von zu vielen Schülern in zu engen Klassen mit zu wenigen Lehrkräften mit in die anstehenden Haushaltsgespräche nehmen. Die erste Frage, die zu stellen sein wird, ist: Ist das wirklich Ihr Ernst?!!
Mit kollegialen Grüßen
Michaela Günther
(stv. Landesvorsitzende)