LuSh – Ausgabe 09-10/2023 – RECHT ausführlich – Geschenke? NEIN DANKE!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nach der Klassenfahrt ist vor der Klassenfahrt. Und wieder stellt sich die Frage: Wer nutzt bspw. den Gratisplatz im Bus oder in Hotel oder Jugendherberge? Auch immer wieder Geschenke zum Ende und zum Beginn des Schuljahres durch Schülerinnen und Schüler oder Eltern an Lehrerinnen und Lehrer. Ich möchte Ihnen hierzu eine klare Richtschnur geben. Es ist erst ein paar Jahre her, als eine Berliner Lehrerin die hohe Geldstrafe von 4.000 Euro bezahlen musste, damit ein Verfahren wegen Vorteilsannahme gegen sie eingestellt wurde. Was war passiert? Eine „Zwei Herren in der Badewanne“-Figur von Loriot wurde ihr zum Stolperstein. Ein Vater hatte Anzeige erstattet, weil die Frau das rund 200 Euro teure Geschenk von einer Schulklasse angenommen hatte. Der Vater war übrigens ein Kollege und leitete eine Berliner Grundschule, wie man der Presse entnehmen durfte.
Die Strafvorschrift der Vorteilsannahme ist ein Bestandteil des Kampfes gegen Korruption, wenngleich sich damals die Kollegin in ihrem Verhalten vermutlicherweise nicht in diesem Feld verortet hätte. Und genau hier liegt ein Teil des Problems. „Böser Wille“ dürfte in den meisten Fällen nicht handlungsleitend sein. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wie man sich verhält. Auch um Kolleginnen und Kollegen eine bessere Einordnung des Themas zu ermöglichen, wurde die Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der saarländischen Landesverwaltung (Antikorruptionsrichtlinie) vom 11. Dezember 2018 (Amtsblatt des Saarlandes Teil I vom 17. Januar 2019 S. 19) neu gefasst und löste die Richtlinie der Landesregierung zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der Landesverwaltung vom 19. Dezember 2000 ab. Die Richtlinie gilt für alle Bediensteten des Saarlandes, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bedienstete sind Beamtinnen und Beamte, Ruhestandsbeamte, Beschäftigte und Auszubildende des Saarlandes. Neben dem wichtigen Thema Installation eines Antikorruptionsbeauftragten (m/w/d) und eines Vertrauensanwaltes (m/w/d) enthält sie besondere Regelungen für das öffentliche Auftragswesen, da dieser besonders korruptionsanfällig ist.
Die Richtlinie enthält Verbote der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen, die Möglichkeit der Zustimmung/Genehmigung durch die oberste Dienstbehörde, die Zustimmung/Genehmigung in sehr eingeschränkten Fällen sowie die stillschweigende Zustimmung zu Ausnahmen vom Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken oder sonstigen Vorteilen in besonderen in der Richtlinie benannten Fällen. So gelten als „zulässig“: geringfügige Aufmerksamkeiten bis zu einem Wert von 15 Euro je Einzelfall z. B. Reklameartikel einfacher Art wie Kugelschreiber, Kalender, Schreibblocks, Höchstgrenze von 60 Euro pro Kalenderjahr, entscheidend ist der Verkehrswert in der Bundesrepublik Deutschland, angemessene Bewirtungen durch Einrichtungen der öffentlichen Hand, Bewirtungen durch Private im unmittelbaren Zusammenhang mit dienstlichen Handlungen, Besprechungen, Besichtigungen oder dergleichen, wenn sie angemessen sind oder wenn sie ihren Grund in den Regeln des Verkehrs und der Höflichkeit haben, Bewirtungen anlässlich allgemeiner Veranstaltungen, an denen Bedienstete im dienstlichen Auftrag oder mit Rücksicht auf die durch die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auferlegten gesellschaftlichen Verpflichtungen teilnehmen (z. B. Einführung und/oder Verabschiedung von Amtspersonen, offizielle Empfänge), wenn der Rahmen des allgemein Üblichen und Angemessenen nicht überschritten wird, geringfügige Dienstleistungen, die die Durchführung eines Dienstgeschäftes erleichtern oder beschleunigen (z. B. Abholung mit einem Wagen vom Bahnhof).
In solchen Fällen soll die Zustimmung zur Annahme eines Vorteils als stillschweigend erteilt anzusehen sein. In diesem Zusammenhang gilt aber: Bestehen Zweifel, ob die Zustimmung zur Annahme eines Vorteils als stillschweigend erteilt anzusehen gilt, ist eine ausdrückliche Zustimmung unverzüglich zu beantragen.
Bei Verstößen drohen Beamtinnen und Beamten disziplinarrechtliche Maßnahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Ruhestandsbeamtinnen und -beamten disziplinarrechtliche Maßnahmen bis zur Aberkennung des Ruhegehalts und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden arbeitsrechtliche Sanktionen bis zur außerordentlichen Kündigung.
„Daneben“ kommt eine strafrechtliche Verurteilung zu einer Freiheits- oder Geldstrafe wegen Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB), wegen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB), ggf. in einem besonders schweren Fall (§ 335 Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie z. B. der Verlust der Amtsfähigkeit (§ 358 StGB) und der Verfall des aus der rechtswidrigen Tat Erlangten (§§ 73 ff. StGB), ggf. Schadensersatz (§ 48 BeamtStG, § 3 Abs. 7 TV-L) in Betracht.
Nach der vorgenannten Richtlinie sind die Bediensteten verpflichtet, bei einem durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat unverzüglich die oder den zuständige(n) Dienstvorgesetzte(n) zu unterrichten. Bei den betroffenen Bediensteten sind durch die Dienststelle umgehend die notwendigen disziplinarrechtlichen Maßnahmen einzuleiten oder die Notwendigkeit arbeitsrechtlicher Sanktionen zu prüfen. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist sicherzustellen.
Das bedeutet aus meiner Sicht für die Praxis: Ich rate jeder Kollegin und jedem Kollegen – unabhängig von den o. g. Erleichterungen in der Richtlinie (15 Euro-Grenze etc.) –, höflich, aber bestimmt jegliches Geschenk oder jeglichen sonstigen Vorteil abzulehnen. So ersparen Sie sich jegliche Diskussion und vermeiden jeden „bösen Schein“. Von einzelnen Schülerinnen oder Schülern (oder Eltern) sind Geschenke grundsätzlich völlig unzulässig. Bei Klassenfahrten empfehle ich Gratisleistungen (Freifahrt, Zimmerermäßigung oder was auch immer), die Ihnen angeboten werden, individuell abzulehnen und den Vorteil auf alle Teilnehmenden umzurechnen. Klären Sie mit Ihrem Steuerberater ab, ob diese Kosten einer Klassenfahrt (weil dienstlich verursacht) ggf. als Werbungskosten abgesetzt werden können. Vermeiden Sie auch nur den geringsten Anschein. Zweifelsfälle klären Sie bitte schriftlich nachvollziehbar mit Ihrem Vorgesetzten oder der obersten Dienstbehörde.
Sie sind unangenehm überrascht? Tut mir leid! Die Loriot-Figur der Kollegin aus Berlin wurde als „Tatobjekt“ übrigens zum Preis von 11 Euro versteigert. Ich glaube, die Kollegin hätte sich den ganzen Ärger und die 4.000 Euro sicherlich gerne erspart.
Ihr
Arnold W. Sonntag
Zur Person:
Arnold W. Sonntag, Jahrgang 1973, seit über 13 Jahren Justiziar im Landesvorstand des dbb saar, nebenberuflich lange Jahre Dozent an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, an der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes, an der Verwaltungsschule des Saarlandes und der dbb akademie. Nebenamtliches Mitglied im saarländischen Landesprüfungsamt für Juristen. Seit 2008 in der Landesverwaltung tätig, davon rund 8 Jahre Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei.