LuSh – Ausgabe 07-08/2023 – RECHT ausführlich – Klassenfahrten
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
alle Jahre wieder – eine leidige Pflicht? Oder die Gelegenheit, mit jungen Menschen über den Tellerrand zu schauen?
In jedem Fall eine verantwortungsvolle Aufgabe: die Durchführung von Klassenausflügen und -fahrten.
Der Erlass über Bildungs- und Erziehungsarbeit an außerschulischen Lernorten sowie über die Festsetzung von Pauschvergütung gemäß § 18 des Saarländischen Reisekostengesetzes (Schulfahrtenerlass) vom 30. August 2016 (Amtsblatt des Saarlandes Teil I vom 8. September 2016, Seite 822 ff.) enthält hierzu wesentliche rechtliche Rahmenbedingungen (abrufbar unter https://www.amtsblatt.saarland.de/jportal/verkuendung/nav/saarland/startseite/startseite_saarland.jsp). Der Erlass enthält u. a. Grundsätze für die Planung und Durchführung, die Teilnahme, die Leitung, die Begleitpersonen, Qualifikation der Lehrkräfte und sonstiger Begleitpersonen, von Beförderungsmitteln, der Unfallverhütung, der Aufsicht, Versicherung, Haftung, Reisekosten sowie Genehmigung.
Ich möchte mich im Folgenden auf das Thema „Aufsicht“ beschränken. Aus Kreisen der Kolleginnen und Kollegen wird dieses Thema stets problematisiert.
Der Schulfahrtenerlass geht hierauf im Wesentlichen wie folgt ein (Ziffer 3.7):
- Die Lehrkräfte sind während der gesamten Veranstaltung zur Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufsichts- und Fürsorgepflicht angehalten. Diese muss aktiv, präventiv und kontinuierlich erfolgen. Alter und Reife der Schülerinnen und Schüler sind zu berücksichtigen.
- Die Aufsicht führende Lehrkraft kann Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit einräumen, im Rahmen der Schulfahrt pädagogisch angemessene Unternehmungen in Gruppen durchzuführen, ohne dass dabei eine Aufsichtsperson anwesend ist („Freigang“). Bei minderjährigen Schülerinnen und Schülern ist das Einverständnis der Erziehungsberechtigten vorher schriftlich einzuholen. Die geplanten Aktivitäten sind im Vorfeld abzusprechen. Dabei sind insbesondere Ziel der Unternehmungen und Erreichbarkeit sowie der genaue Zeitpunkt der Rückkehr festzulegen. Schülerinnen und Schüler, die sich über die getroffenen Regelungen und Vereinbarungen hinwegsetzen, können unter Umständen den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz verlieren. Hierauf sind die Schülerinnen und Schüler sowie deren Erziehungsberechtigte rechtzeitig vor Antritt einer Schulfahrt hinzuweisen. Gleiches gilt auch bei zeitlich begrenzten Beurlaubungen. Lehrkräfte und Begleitpersonen müssen in derselben Unterkunft wie die Schülerinnen und Schüler übernachten. Bei Unterbringung in Gastfamilien muss eine Begleitperson jederzeit erreichbar sein.
Diese Regelungen sind strikt einzuhalten. Das o. g. Einverständnis der Eltern (unter Einbeziehung des „Freiganges“) ist bei Minderjährigen unerlässlich.
Ich empfehle aber dringend, konkret weitergehende praktische Maßnahmen und Überlegungen zu treffen (ohne den Anspruch auf Vollständigkeit):
- Je nach Reife der Schüler (gemeint sind auch im Folgenden stets Schülerinnen und Schüler) sollte kurz oder ausführlich eine Belehrung über das richtige Verhalten im Straßenverkehr erfolgen. Problemschülerinnen und -schüler (ja, die gibt es, auch wenn sie mancherorts totgeschwiegen werden) sind gesondert und intensiv zu belehren. Ein Vermerk über die Belehrungen im Klassenbuch entlastet Sie, wenn dies notwendig werden sollte.
- Bei den Infopoints der Städte erhält man zumeist kostenlos oder preiswert (offizielle!) Stadtpläne Ihrer Zielorte. Vermerken Sie dort wichtige Treff- und Abfahrtspunkte. Ein Smartphone mit GPS findet bei fortgeschrittenen Klassen eine sinnvolle Verwendung.
- Verlangen Sie von Ihren Schülern, sich nur in Gruppen von mindestens 3 Schülern ohne Aufsichtsperson auf den Weg zu machen.
- Haben Sie eine Fahrradtour geplant, führen Sie eine Sichtprüfung an den Rädern auf Verkehrssicherheit durch und sprechen Sie die wichtigsten Verkehrsregeln für Fahrradfahrer nochmals an. Lassen Sie sich die Durchführung der Fahrradtour von den Erziehungsberechtigten schriftlich genehmigen. Dokumentieren Sie dies! Wichtig: Ohne Helm fährt niemand! Auch nicht Sie! Denken Sie im Vorfeld über das Thema „Panne! Was tun im Pannenfall?“ nach.
Legen Sie die Tour über gewisse Gefahrenpunkte (Überquerung einer Bundesstraße oder Ähnliches) fest, stimmen Sie dies bitte mit der örtlichen Polizei ab.
- Nehmen Sie bitte ein Mobiltelefon mit und speichern Sie wichtige Rufnummern vor Antritt der Fahrt ab.
- Der Ausschluss von Problemschülern VOR Antritt der Reise sollte durch eine zuständige Konferenz bestätigt werden. Es gibt unzählige Entscheidungen der Gerichte zu diesem Thema (bspw.: NJW 2015, 2059; NVwZ-RR 2019, 954; VG Osnabrück Urt. v. 27.1.2015 – 1 A 209/14). Deshalb empfehle ich, so etwas „wasserdicht“ zu machen. Bei der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen kommt der Schule ein pädagogischer Ermessensspielraum zu, bei dessen Ausfüllung insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Dies ist entsprechend zu dokumentieren und zu begründen. Beim „Heimschicken“ WÄHREND DER FAHRT ist dringend die Schulleitung zu informieren und deren Einverständnis einzuholen. Auch sind in jedem Fall die Eltern zu informieren und es ist abzuklären, ob diese die Kinder selbst abholen. Klären Sie am besten VOR Antritt der Reise mit der Schulleitung ab, wie in einem solchen Fall verfahren werden soll.
- Eine Reiserücktrittskostenversicherung ist stets sinnvoll und kostet in der Regel nicht viel.
- Für Sie ist eine Diensthaftpflichtversicherung mehr als empfehlenswert.
- Wollen Sie gefahrgeneigte Tätigkeiten während des Klassenausfluges durchführen (z. B. Skifahren, Klettern oder Schwimmen sowie Bootfahren), lassen Sie sich das von den Erziehungsberechtigten explizit schriftlich bestätigen und holen Sie deren Zustimmung ein.
- Verlangen Sie von den Eltern VOR Beginn der Reise eine schriftliche Erklärung, ob und welche gesundheitlichen Probleme bestehen. Versichern Sie den Eltern die Einhaltung des Datenschutzes zu diesen Angaben.
- Verabreichen Sie keine Medikamente, außer Typ und Dosierung sind exakt mit den Eltern abgestimmt (Diabetesmedikamente, Asthmamedikamente usw.). Lassen Sie sich dies von den Eltern schriftlich bestätigen.
- Zeckenbisse können problematisch sein. Suchen Sie am besten einen Arzt in Abstimmung mit den Eltern auf. „Rumfummeln“ ist nicht zu empfehlen, auch wenn man meint, man könne es.
- Holen Sie sich während der Fahrt die Zustimmung der Eltern per Telefon ein (zum Beispiel, wenn sich eine Gruppe entschlossen hat, „alleine“ eine Besichtigung zu machen, oder bei „medizinischen Entscheidungen“ oder auch beim „Heimschicken“ eines Kindes auf Kosten der Eltern), lassen Sie einen Zeugen mithören oder lassen Sie sich eine SMS o. Ä. auf Ihr eigenes Handy senden, um zu dokumentieren, dass die Eltern einverstanden waren.
- Lassen Sie sich regelmäßig in Erster Hilfe schulen.
- Holen Sie schriftlich die Einwilligung volljähriger Schüler ein, zumindest
- am Pflichtprogramm teilzunehmen,
- in der gemeinsamen Unterkunft zu übernachten,
- auf Alkohol und Drogen zu verzichten und ggf. entsprechende Kontrollen zu dulden,
- auf eigene Kosten zurückfahren zu müssen, wenn obige Regeln verletzt werden.
Grundsätzlich gilt: Wenn alles gut geht, gibt es nie Probleme. Geht mal was schief, sucht man einen Schuldigen. Allzu leicht wird dann auf die Lehrkraft gezeigt. Daher gilt hier: Mehr (aufklären, dokumentieren, kontrollieren, Zustimmungen einholen, vorausschauend denken und handeln usw.) ist hier die bessere Variante. Dann bleibt dennoch genügend Raum für eine schöne Fahrt – ohne negative Nachwirkungen.
Ich wünsche Ihnen bei der Durchführung Ihrer Fahrt viel Erfolg und eine gute und gesunde Heimkehr.
Ihr
Arnold W. Sonntag
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Zur Person:
Arnold W. Sonntag, Jahrgang 1973, seit über 13 Jahren Justiziar im Landesvorstand des dbb saar, nebenberuflich lange Jahre Dozent an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, an der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes, an der Verwaltungsschule des Saarlandes und der dbb akademie. Nebenamtliches Mitglied im saarländischen Landesprüfungsamt für Juristen. Seit 2008 in der Landesverwaltung tätig, davon rund 8 Jahre Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei.