LuSh – Ausgabe 06/2022 – Vorwort
Gerede über Schule in Podcasts
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt etwas verhältnismäßig Neues in der Medienwelt, und zwar Podcasts. Ich mag dieses Format und höre viele Podcasts, um mich zu informieren, zu unterhalten und um gedankliche Anregungen zu bekommen. Neulich hörte ich in einem Podcast, dass Kinder in der Schule lernen sollten, wie man sich gesund ernährt. In einem anderen hörte ich, dass der sichere und verantwortungsvolle Umgang mit digitalen Medien viel stärker in der Schule in den Fokus genommen werden müsste. Woanders hörte ich, dass der Umgang mit Geld und andere lebensbedeutsame Themen wie Versicherungen, Bankkontoführung, Haushaltsführung in der Schule gelehrt werden müssten. Man könnte diese Liste unendlich weiterführen, vom persönlichen Lebensglück über soziales Miteinander bis zur gesellschaftlichen Etikette soll „die Schule“ alles, aber wirklich alles den Schülerinnen und Schülern beibringen. Die Erwartungen an Schulen, d. h. an Lehrkräfte, steigen immer weiter. Ich höre das und frage mich: Was machen denn eigentlich die Eltern? Wo bleiben denn deren Verantwortung und deren Erziehungsauftrag? Und vor allem, wie sollen Schulen, d. h. Lehrkräfte, das alles leisten?! Es tut sich einem das einfache Bild einer Waage auf: Wenn in die eine Schale immer mehr gelegt wird, muss ein Ausgleich auf der anderen Seite erfolgen. Doch das geschieht in unserem Bildungssystem nicht. Die seit Langem bestehende Schieflage verstärkt sich immer mehr. Die Bedingungen an unseren Schulen lassen es kaum zu, unserem Bildungsauftrag, wie er bisher definiert ist, gerecht zu werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass man als Lehrerin sofort mit Abwehr reagiert, wenn man Forderungen, wie oben beschrieben, hört. Schließlich haben wir Lehrerinnen und Lehrer in allen Schulformen mit Krisen zu kämpfen, die sich auf unsere tägliche Arbeit auswirken: der Lehrkräftemangel, Corona und zunehmend mehr ukrainische Flüchtlinge. Von Heterogenität und Inklusion ganz zu schweigen. Statt der seit Jahren geforderten Entlastungen in Form von kleineren Klassen, einer geringeren Unterrichtsverpflichtung, mehr Personal (auch aus anderen Berufsgruppen) kommen immer mehr Belastungen dazu. Damit die eine Seite der Waage nicht eines Tages komplett auf den Boden knallt, muss die Entlastungsschale endlich gefüllt werden!
Die Podcasterinnen und Podcaster möchte ich darum bitten, nicht mehr so unreflektiert über die Aufgaben von Schulen zu reden. Wahrscheinlich sollte ich das in einem Podcast tun. Vielleicht dauert es ja gar nicht mehr so lange, bis der SLLV einen eigenen Podcast hat, aber das ist ein anderes Thema …
Mit kollegialen Grüßen
Michaela Günther
(stv. Landesvorsitzende)