LuSh – Ausgabe 05-06/2024 – RECHT ausführlich – Schulordnungsmaßnahmen
Schulordnungsmaßnahmen
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In Ihrem Berufsalltag haben Sie es in aller Regel mit einer gehörigen Anzahl spaßorientierter Schülerinnen und Schüler zu tun. Ich kenne die aktuelle Klassengröße bei Ihnen nicht. Aber es dürfte sich um ein Missverhältnis handeln (1:25? 1:30? …). Schon in seiner Entscheidung von 1977 zum Thema Sexualerziehung in der Schule hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass neben der individuellen Erziehung des eigenen Kindes eine sozusagen kollektive Erziehung erforderlich ist, deren Ziel das angemessene Verhalten in einer größeren Gruppe ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 12. 1977 – 1 BvL 1/75; 1 BvR 147/75).
Erziehung findet daher nach meiner Auffassung auf diesen beiden Ebenen statt. Für die Ebene der Schule sind Sie verantwortlich und den Schülern gegenüber weisungsbefugt.
Die Klaviatur der Ordnungsmaßnahmen legt das Schulordnungsgesetz in § 32 fest:
Gesetz Nr. 812 zur Ordnung des Schulwesens im Saarland
(Schulordnungsgesetz – SchoG)
§ 32
Ordnungsmaßnahmen
(1) 1Zur Verwirklichung des Unterrichts- und Erziehungsauftrags der Schule, der Erfüllung der Schulbesuchspflicht, der Einhaltung der Schulordnung und zum Schutz von Personen und Sachen können Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülerinnen und Schülern getroffen werden, soweit andere erzieherische Einwirkungen nicht ausreichen. 2Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten; insbesondere ist vor Verhängung einer bestimmten Ordnungsmaßnahme zu prüfen, ob nicht eine leichtere Ordnungsmaßnahme ausreicht.
(2) Folgende Ordnungsmaßnahmen können getroffen werden:
1.
durch die Klassenlehrerin oder den Klassenlehrer oder durch die unterrichtende Lehrkraft:
der schriftliche Verweis;
2. durch die Schulleiterin oder den Schulleiter:
a)die Überweisung in eine parallele Klasse oder Unterrichtsgruppe;
b)der Ausschluss von besonders bevorzugten Schulveranstaltungen bei fortbestehender Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht während dieser Zeit;
c)die Androhung des zeitweiligen Ausschlusses vom Unterricht;
d)der Ausschluss vom Unterricht bis zu drei Unterrichtstagen, bei beruflichen Schulen in Teilzeitform für einen Unterrichtstag;
3.durch die Klassenkonferenz oder den Jahrgangsausschuss unter Vorsitz der Schulleiterin oder des Schulleiters oder ihrer oder seiner Vertretung, wobei die Klassenelternsprecherin oder der Klassenelternsprecher oder die Elternsprecherin oder der Elternsprecher der Kerngruppe stimmberechtigt ist und eine Verbindungslehrerin oder ein Verbindungslehrer mit beratender Stimme teilnimmt:
a)der Ausschluss vom Unterricht bis zu zwei Unterrichtswochen; Nummer 2 Buchst. d bleibt unberührt;
b) die Androhung des Ausschlusses aus der Schule;
4. durch die Gesamtkonferenz:
der Ausschluss aus der Schule;
5. durch die Schulaufsichtsbehörde:
auf Antrag der Gesamtkonferenz die Ausdehnung des Ausschlusses auf alle Schulen des Landes mit Ausnahme der Förderschule soziale Entwicklung.
Ein Beschluss der Gesamtkonferenz gemäß Satz 1 Nr. 4 und 5, an dem die Vertreterinnen und Vertreter der Schülervertretung mit beratender Stimme teilnehmen, bedarf der Zweidrittelmehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder. Die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegenüber Klassen und Gruppen als solchen ist nicht zulässig.
(3) Körperliche Züchtigung und entwürdigende Maßnahmen sind nicht zulässig.
(4) 1Eine Ordnungsmaßnahme gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b bis Nr. 3 Buchst. b ist nur zulässig, wenn eine Schülerin oder ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten ihre oder seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet hat. 2Eine Ordnungsmaßnahme gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 ist nur zulässig, wenn neben den Voraussetzungen des Satzes 1 das Verbleiben der Schülerin oder des Schülers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, die Gesundheit oder Sicherheit der Mitschülerinnen und Mitschüler befürchten lässt; eine Ordnungsmaßnahme gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 5 ist darüber hinaus nur zulässig, wenn zu erwarten steht, dass auch bei einem Wechsel der Schule die gleiche Gefährdung der Mitschülerinnen und Mitschüler gegeben ist.
(5) 1Vor der Entscheidung über eine Ordnungsmaßnahme ist der Schülerin oder dem Schüler, vor Ordnungsmaßnahmen gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bis 5 auch den Erziehungsberechtigten Gelegenheit zur Äußerung vor der für die Entscheidung zuständigen Stelle zu geben. 2Die Schülerin oder der Schüler und die Erziehungsberechtigten können eine Schülerin oder einen Schüler oder eine Lehrkraft ihres Vertrauens hinzuziehen.
(6) 1Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann in dringenden Fällen einer Schülerin oder einem Schüler vorläufig den Schulbesuch untersagen, wenn deren oder dessen Verhalten den Ausschluss aus der Schule durch die Gesamtkonferenz erwarten lässt. 2Die Schulleiterin oder der Schulleiter hat die Entscheidung der Gesamtkonferenz unverzüglich herbeizuführen.
(7) Eine Ordnungsmaßnahme ist den Erziehungsberechtigten und dem für die Berufsausbildung der Schülerin oder des Schülers Mitverantwortlichen, eine Entscheidung gemäß Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 darüber hinaus dem Jugendamt und der Schulaufsichtsbehörde unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
(8) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Ordnungsmaßnahme haben keine aufschiebende Wirkung.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme denken Sie bitte an
das Vorhandensein eines legitimen Zwecks,
die abstrakte Eignung des Mittels für diesen Zweck,
die Erforderlichkeit und
schließlich das angemessene Verhältnis zwischen Mittel und Zweck.
Oftmals bieten sich Maßnahmen an, die das SchoG nicht ausdrücklich benennt, wie
Anweisung des Verlassens des Klassenraums,
schriftlicher Tadel, adressiert an die Eltern,
Reinigung verschmutzter Gegenstände durch den Schüler,
Wiederholung der auferlegten Arbeit, die nicht ordentlich ausgeführt wurde,
Wegnahme störender Gegenstände (z. B. Handy).
Hierzu einige Hinweise:
Verweisen Sie einen minderjährigen Schüler aus dem Raum, stellen Sie seine weitere Beaufsichtigung sicher. Zum Beispiel, indem Sie ihn dem Direktor zum Gespräch übergeben oder den Eltern überstellen.
Ziehen Sie Gegenstände ein, so entsteht ein Verwahrverhältnis. Übergibt Ihnen der Schüler sein Handy mit kaputtem Display („Spiderman-Display“), so dokumentieren Sie den Zustand der Sache durch ein Foto zum Zeitpunkt der Übergabe.
Und noch eine vernünftige Entscheidung des LG Berlin, auf die ich hinweisen möchte: Ein Lehrer, der einem Schüler ohne Züchtigungsabsicht zur Durchsetzung einer von diesem nicht befolgten Anweisung, den Raum zu verlassen, an den Arm greift, begeht keine vorsätzliche Körperverletzung (LG Berlin Beschl. v. 18.12.2009 – 518 Qs 60/09, BeckRS 2010, 2070, beck-online).
Die obigen Ausführungen geben Ihnen nur einen Überblick über Ordnungsmaßnahmen und den rechtlichen Rahmen. Einzelne interessante Maßnahmen werde ich in zukünftigen Beiträgen noch näher beleuchten.
In der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass sich Eltern gegen Maßnahmen der Schule juristisch wehren und dabei nicht selten gegen Sie persönlich vorgehen.
Sie als Mitglied des SLLV haben hier einen exklusiven, auf dem Markt so nicht zu bekommenden Zugang zu Rechtsschutz.
Die Kolleginnen und Kollegen des für uns Saarländer zuständigen Dienstleistungszentrums sind hoch spezialisiert und kompetent und bieten Ihnen einen herausragenden Rechtsschutzservice, der den nicht im dbb organisierten Kolleginnen und Kollegen nicht zugänglich ist.
Rechtsschutz kann generell nur über Ihre Fachgewerkschaft beantragt werden und nicht direkt über den dbb oder die dbb-Dienstleistungszentren.
Informationen finden Sie hier:
https://www.dbb.de/mitgliedschaft-service/
rechtsschutz.html
Ihr
Arnold W. Sonntag
Zur Person:
Arnold W. Sonntag, Jahrgang 1973, seit über 13 Jahren Justiziar im Landesvorstand des dbb saar, nebenberuflich lange Jahre Dozent an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, an der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes, an der Verwaltungsschule des Saarlandes und der dbb akademie. Nebenamtliches Mitglied im saarländischen Landesprüfungsamt für Juristen. Seit 2008 in der Landesverwaltung tätig, davor rund 8 Jahre Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei.