LuSh – Ausgabe – 03-04/24
Parlez-vous français?
10 Jahre Frankreichstrategie des Saarlandes – ein kritischer Rück- und Ausblick
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 21. Januar 2014 verkündete die damalige saarländische Landesregierung unter Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Frankreichstrategie. Mit dieser Strategie möchte das Saarland seine Rolle als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich festigen und ausbauen.
15 Kernthemen stehen dabei im Fokus. Ich werde mich in meinen Ausführungen auf den schulischen Bereich beschränken.
Mit dem ambitionierten Ziel, bis 2043 mehrsprachig zu sein, liegt ja auch der Schwerpunkt auf der Bildung für alle Altersstufen.
So wurden die dafür erforderlichen Schritte genau festgeschrieben. Das bilinguale Angebot an den Grundschulen soll erweitert und ein kontinuierlicher Ausbau des flächendeckenden Französischunterrichts ab Klassenstufe 1 erfolgen. In den weiterführenden Schulen soll das Robert-
Schuman-Austauschprogramm gestärkt und die Angebote der B1-Sprachenzertifikate sollen verstetigt werden.
Bewertet man die Frankreichstrategie auf die formulierten Ziele, fällt auf, dass nach zehn Jahren nur ein Viertel der Grundschulen Französisch ab Klassenstufe 1 unterrichten und kein kontinuierlicher Aufwuchs zu erkennen ist. Das bedeutet, dass weiterhin Sprachlücken zwischen Kita und drittem Schuljahr existieren. Es gibt auch keinen Zuwachs an bilingualen Grundschulen.
Die Gründe für das Nichterreichen der Ziele sind vielfältig:
Der allgemeine Lehrermangel und die enge Personaldecke zwingen Lehrkräfte dazu, Prioritäten zu setzen. So wird in der Regel primär bei Personalmangel der Kernunterricht abgedeckt, Nebenfächer bleiben da schon mal auf der Strecke. Aber es mangelt auch an Lehrerinnen und Lehrern mit der Fakultas Französisch. Der schon seit Jahren diskutierte bilinguale Studiengang für die Primarstufe wurde bis heute nicht eingerichtet. Die gehobene Quote des Profilfaches Französisch im Grundschullehrerstudium an der Universität des Saarlandes ist ein richtiger und wichtiger Schritt, er reicht aber nicht aus und es braucht Zeit, bis Verbesserungen im System dadurch erkennbar werden.
Gut funktionierende, wirklich effektive Modelle wie Trilingua, bei dem französische Muttersprachler, die zugleich eine pädagogische Ausbildung absolvierten, neben den Regelschullehrkräften als Tandem im ersten und zweiten Schuljahr im Unterrichtsgeschehen eingesetzt waren, wurden nach Ablauf der EU-Mittel aus finanziellen Gründen eingestampft. Ein Riesenrückschritt!
Des Weiteren hält der Run auf Englisch als erste Fremdsprache an, diese Sprache ist näher am Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler. Somit wird Französisch häufig nur als unbenoteter Sprachkurs ab Klassenstufe 5 wahrgenommen. Kolleginnen und Kollegen berichten, dass dieser Kurs von den Schülern wenig ernst genommen wird und nicht sehr fruchtbar ist. Es bieten außerdem immer noch zu wenig weiterführende Schulen Französisch als Eingangssprache an.
Was würde denn zur Verbesserung beitragen?
- Kontinuierliches Sprachband ohne Lücken zwischen Kita und Grundschule
- Qualifiziertes Personal – Muttersprachler mit pädagogischer Grundausbildung sowie gut ausgebildete Lehrkräfte
- Ermöglichen von flexibleren Modellen statt der im Stundenplan fixierten Stunden, stetiger Einbau der Sprache in den Unterrichtsalltag
- Tägliche Sprachbegegnung in Klassenstufe 1 und 2, Fachunterricht ab Klassenstufe 3
- Einrichtung des bilingualen Studienganges BIPRIMAR
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als größter Lehrerverband im Saarland wird der SLLV häufig gefragt zu der Thematik Frankreichstrategie. So habe ich auch in den vergangenen Wochen in der Presse unsere Sichtweise dargestellt. Es soll mit diesen Ausführungen aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir als Verband die bildungspolitische Priorität in dieser Strategie sehen. Vielmehr gibt es viele Baustellen, die es zunächst zu beackern gilt wie eine generell bessere Personaldecke, eine bessere Ausstattung und eine Entbürokratisierung und Entlastung der Schulen.
Die Zweisprachigkeit ist ein hehres Ziel, das mit den bis jetzt investierten Mitteln und Wegen allerdings nur schwer zu erreichen sein wird.
Ihre
Lisa Brausch
Landesvorsitzende