Es muss ein PISA-Ruck durch Deutschland gehen!
Es muss ein PISA-Ruck durch Deutschland gehen!
SLLV Pressemitteilung vom 05.12.2023
Die heute veröffentlichten Ergebnisse von PISA 2022, einer internationalen Testung von 15-Jährigen auf ihre mathematischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten sowie ihre Lesekompetenz und einer Befragung zu ihrer Situation, zeigt:
Die Durchschnittsergebnisse in Mathematik, Lesekompetenz und Naturwissenschaften sind deutlich schwächer als 2018 und entsprechen dem Lernfortschritt eines halben bzw. ganzen Schuljahres.
Dazu kommentiert Lisa Brausch, Landesvorsitzende des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (SLLV): „Das sind natürlich keine wünschenswerten Ergebnisse, aber dem Ruf nach Fokussierung auf die Basiskompetenzen erteile ich schon im Voraus eine scharfe Absage. Werden Kinder nicht ganzheitlich gebildet, lernen sie nicht so gut. Sprachen, Kunst und Musik müssen genauso einen festen Platz im Lehrplan haben wie Deutsch und Mathematik. Wir müssen bilden und erziehen mit Kopf, Herz und Hand.“
Gründe (1): Lehrkräftemangel
Die Gründe für das schlechte Abschneiden sieht Lisa Brausch in der unzureichenden Versorgung durch gut ausgebildete Lehrkräfte. Das bestätigt auch die Befragung der Jugendlichen. So sehen drei Viertel von ihnen den Schulunterricht durch den Lehrkräftemangel beeinträchtigt. „Jetzt zeigt sich, was Mangel heißt. Vertretungsstunden und Schulausfall haben Konsequenzen! Die Politik sollte das als Warnruf annehmen, ihre Bemühungen bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels noch deutlich auszuweiten. Wir brauchen keinen zweiten Pisa-Schock, sondern endlich einen Pisa-Ruck!“
Gründe (2): Digitalisierung
Defizitäre Digitalisierung und lange Schulschließzeiten haben sich für die Alterskohorte besonders ungünstig ausgewirkt, so Brausch. Sie führt aus: „Jahrelang haben wir angemahnt, dass die Digitalisierung Einzug halten muss in Deutschlands Schulen. Jahrelang wurden wir vertröstet. Schulen mussten sich auf Sponsoring verlassen oder durch private Spenden konnten einzelne Geräte in den Klassenzimmern aufgestellt werden, bei denen es sich meist um ausrangierte Geräte aus Wirtschaftsunternehmen handelte. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich in dem Moment, als es auf digitale Kompetenzen ankam, extreme Defizite offenbarten.“
Gründe (3): Auswirkungen der Coronapandemie
Lisa Brausch verweist darauf, dass jene Jugendliche, die 2022 während der PISA-Testung 15 Jahre alt waren, besonders stark von Schulschließungen betroffen waren.
Sie waren während der Coronapandemie in der 7., 8., oder 9. Klasse. Das waren vielerorts jene Klassenstufen, die als letztes wieder in die Schule gehen durften, um für die anderen die Abstandsregelungen einhalten zu können.
So sagen 71 Prozent der befragten Jugendlichen, dass länger als drei Monate kein regulärer Unterricht stattfand.
Brauschs Fazit: „Ohne die entsprechende Ausstattung, ohne die notwendige Übung und mit dafür nicht ausreichend fort- und weitergebildeten Lehrkräften konnten die Jugendlichen nicht die Kompetenzen erreichen, welche sie für ein gutes Bestehen der PISA-Testung gebraucht hätten.“
Wertschätzung für Lehrkräfte
Gleichwohl verweist die Landesvorsitzende auf die Leistungen der Lehrkräfte: „Gerade in Pandemiezeiten, aber auch danach, hat nur das hohe Engagement der Lehrkräfte dazu geführt, dass die Ergebnisse nicht noch viel verheerender sind. Sie arbeiteten unter widrigen Umständen.
Und: Die Ansprüche an Schule sind hoch und werden immer höher. Gleichzeitig wird die Zusammensetzung im Klassenraum immer herausfordernder. Kinder mit Förderbedarfen, mit Sprachschwierigkeiten, aber auch jene mit besonderen Talenten müssen alle individuell gefördert werden. Das schafft eine Lehrkraft allein nicht. Daher braucht es wirkliche multiprofessionelle Teams an den Schulen, damit alle Professionen zusammenwirken können.“
Soziale Ungleichheit
Ein Hauptproblem, für das Deutschland im internationalen Vergleichen stets angemahnt wird, ist die soziale Ungleichheit. Auch Pisa 2022 zeigt, dass weiter dringender Handlungsbedarf besteht: „Die Ergebnisse führen die Politik vor. Der Abstand zwischen Vermögenden und Armen bleibt gleich groß. Die Bemühungen, den Bildungserfolg von der sozioökonomischen Ausstattung des Elternhauses der Schülerinnen und Schüler abzukoppeln, sind nicht ausreichend.“
Jetzt muss es heißen: Handeln statt nach den Fehlern der Vergangenheit zu suchen, damit der PISA-Ruck durch das Land gehen kann:
Schauen wir also nach den Bereichen, durch die Bildung und Lernen optimiert werden: Lehrkräftewerbung, Qualität in Aus- und Weiterbildung, frühkindliche Förderung, mehr Bedeutung der Grundschulzeit beimessen, wirksame pädagogische Assistenzsysteme, Schluss mit dem Ballast unsinniger bürokratischer Hürden.
Dazu gehört auch, dass nicht zu lange auf ein „Durchwinken“ in den Klassen gesetzt wird, sondern dass Leistung wieder einen Stellenwert im Bildungssystem bekommt. Hinzu kommt, dass schulische Bildung nicht komplett von den Elternhäusern abgekoppelt werden darf, Schule und Elternhaus müssen gemeinsam Verantwortung für Bildung und Erziehung übernehmen.
Bildung ist die wichtigste Ressource unserer Gesellschaft.
Pressemitteilung als PDF-Format: 14_23 Es muss ein PISA-Ruck durch Deutschland gehen