Erfahrungsbericht: Mein Tag in Zeiten von Corona
Der SLLV hat aufgerufen und die Erfahrungsberichte kamen…. Gerne können Sie uns auch weiterhin Ihre Berichte senden (gerne auch anonym) an: info@sllv.de
Hier der Erfahrungsbericht einer Lehrerin, die anonym bleiben möchte:
„Lieber SLLV,
Ich bin als Klassenlehrerin in einer Grundschule tätig und muss mir in der Tat mal Luft machen. Seit der offiziellen Schulschließungen und auch schon davor – da ich in angeordneter häuslicher Quarantäne war – befinde ich mich permanent auf Abruf und bin mental stets präsent, wenn auch nicht physisch immer im Schulgebäude. Der ganze Tag dreht sich um Neuigkeiten, Änderungen, Anordnungen, die das Ministerium uns über unsere Schulleitung mitteilen lässt. Da ich mich nicht in einer Berufssparte befinde, in der das Homeoffice eine übliche Arbeitsform darstellt, kann ich mich auch nicht für diese Arbeitsform am Laptop an- oder abmelden. Dies hat zur Folge, dass ich rund um die Uhr über WhatsApp -innerhalb des Kollegiums samt Schulleitung- erreichbar bin.
Zu Beginn der Corona-Krise stellte sich diese Kommunikationsform zwar als sehr einfach und nützlich dar, verursacht mir aber mittlerweile wegen Dauererreichbarkeit Symptome verschiedenster Art.
Mich begleitet eine stetige innere Unruhe, die mich auch nachts oft wach liegen lässt. Ich habe Magenschmerzen, mir ist übel und schwindelig. Die Gesamtheit der Situation schlägt mir also -unabhängig von der Gefahr, die von dem Virus ausgeht und den privaten, familiären Sorgen diesbezüglich- schon ordentlich auf die Gesundheit.
Schon vor den offiziellen Schulschließungen wurde unsere Schule geschlossen und die gesamte Schule befand sich in häuslich angeordneter Quarantäne. Vom einen auf den anderen Tag wurden wir alle aus unserem Schulalltag gerissen.
Ab dem Zeitpunkt der allgemeinen Schulschließungen entstand mehr und mehr Druck. Es mussten Arbeitspläne her, da die Eltern schon recht schnell mit der Situation zu Hause überfordert waren und der Unterricht irgendwie weiterlaufen musste. Da aber viele meiner Materialien noch auf meinem Schreibtisch in der Klasse lagen und auch die Kinder nur Hefte zum Anfertigen der Hausaufgaben in ihrem Ranzen hatten, stellte sich das Erstellen eines Arbeitsplans als schwierig dar.
Auch ein Kfz- Mechaniker in Quarantäne kann ohne sein Werkzeug kein Auto reparieren!
Aber wir können das! Wir können alles! Wir können zaubern! Und wenn wir es nicht können, müssen wir so tun als ob, um nicht als „Faulenzer mit viel Freizeit“ betitelt zu werden. Oder man beschafft uns Grundschullehrern zusätzliche Aufgaben, wie zum Beispiel die Unterstützung des Gesundheitsamtes beim Telefondienst. Auf die vielen, ironischen Bemerkungen von Bekannten, was ich jetzt so mit meiner Freizeit anfange, ertappe ich mich dabei, wie ich versuche zu rechtfertigen, warum ich meine „Bezüge“, die am Monatsanfang auf meinem Konto erscheinen, auch verdient habe und erwähne, dass ich mich freiwillig für den Telefondienst beim Gesundheitsamt gemeldet habe.
Im Ernst jetzt? Würde ich den Kfz- Mechaniker fragen, was er jetzt so mit seiner Freizeit in Quarantäne macht? Würde ich ihm deshalb seinen Lohn absprechen? Nein! Ich finde er sollte sein Geld erhalten und er braucht auch zu Hause dafür keine „Matchboxautos“ zu reparieren.
Die Situation, dass Eltern längere Zeit mit ihren Kindern zu Hause an Aufgaben gemeinsam arbeiten müssen, wertete ich zunächst als Chance.
Bemerken manche Eltern jetzt vielleicht, dass auch ein Teil der Verantwortung bei ihnen selbst liegt? Dass es Sinn macht, sich für das zu interessieren, was ihr Kind morgens in der Schule lernt oder eventuell auch versäumt! Bemerken manche Eltern nun vielleicht, warum das Sozialverhalten und das Lernverhalten ihres Kindes genau so im Zeugnis beurteilt wurde und es eben nicht ungerechtfertigt war?
Erhofft habe ich mir auch mehr Einsicht bei vielen Menschen dafür, dass der Job des Lehrers sehr komplex und vielschichtig ist und sicher kein Beruf ist, den man so als Nebenjob kurz vor der Rente ausüben kann! Diese Annahme wurde mir gegenüber schon häufiger von Bekannten geäußert.
Ich erhoffe mir auch Anerkennung vom Ministerium.
Es ist zwar nett, dass das Ministerium uns für unser Engagement dankt. Es gleicht dem Klatschen für Krankenschwestern und Ärzte. Ich hoffe als Anerkennung auf „normale“ Sommerferien, nachdem wir bereitwillig in den Osterferien in der Schule waren, um die Kinder der Notbetreuung zu versorgen, wir auf bereits verplante Brückentage verzichten müssen und wir bereit waren als Callcenteragent in die Gesundheitsämter zu gehen.
Die Hoffnung stirbt zuletzt!“