Disziplinarrecht
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In meinem heutigen Beitrag möchte ich mit dem Disziplinarrecht weiter fortfahren. Ja, ein etwas unangenehmes Thema. Ich hatte ja schon im vorletzten Beitrag ein paar Zeilen dazu geschrieben.
Warum gibt es bei Beamten eigentlich ein besonderes Disziplinarrecht und wozu dient es? Das Disziplinarrecht hat eine erzieherische Funktion bei Fehlverhalten der Beamten, d. h. es soll den Betreffenden/die Betreffende im Idealfall wieder auf den „richtigen Weg führen und dazu bewegen, seine/ihre Pflichten wieder zu erfüllen. Damit soll die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gewährleistet werden. Es hat aber auch eine Schutzfunktion, weil ihm durch das Verfahren viele Rechte eingeräumt werden und auch für ihn ermittelt wird. Es ist KEIN Sonderstrafrecht und soll ihn nicht neben dem eigentlichen Strafrecht nochmals bestrafen.
Die wichtigsten Beamtenpflichten der §§ 33 ff. Beamtenstatusgesetz hatte ich Ihnen ja bereits ausgeführt. Ich wiederhole nochmals, dass das Beamtenstatusgesetz Bundesgesetz ist und neben dem Saarländischen Beamtengesetz (SBG) direkt und unmittelbar für alle saarländischen Beamtinnen und Beamte gilt.
§ 47 BeamtStG Nichterfüllung von Pflichten
(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen oder Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.
(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.
Hier möchte ich gerne auf die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen eingehen.
Schuldhaftes Handeln (Tun oder Unterlassen) setzt, wie beim Strafrecht, Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Einen Versuch kennt das Disziplinarrecht nicht. Bagatellverstöße werden nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamStG (z. B. einmaliges Versäumen der Vorlage eines Attestes ab dem dritten Krankheitstag) ebenso nicht verfolgt wie nichtschuldhaftes Verhalten (z. B. Lehrerin wird unter KO-Tropfen betäubt und begeht im nicht vollen Bewusstsein ein Dienstvergehen). Die „ihnen obliegenden Pflichten“ werden in den §§ 33 ff. BeamStG bestimmt (siehe vorletzter Artikel). Sie erinnern sich: die parteipolitische Neutralität, die Pflicht zu unparteiischer, gerechter Aufgabenerfüllung sowie gemeinwohlorientierter Amtsführung, die politische Treuepflicht, das Mäßigungsgebot, die Pflicht zur Dienstleistung, kein ungenehmigtes Fernbleiben vom Dienst, Pflicht zur Mehrarbeit, Pflicht zur Übernahme und Einschränkung von Nebentätigkeiten, Fortbildungspflicht, Gesunderhaltungspflicht, Streikverbot, Verbot der Annahme von Belohnungen, Geschenken und sonstigen Vorteilen usw.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der nicht Jedem bekannte § 48 BeamtStG (Pflicht zum Schadenersatz) – er lautet:
Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner.
Neben den disziplinarrechtlichen Maßnahmen muss also der aus der Pflichtverletzung entstandene Schaden auch dem Dienstherrn ersetzt werden. Der Dienstherr darf auf diesen Anspruch nicht verzichten (dies wäre auch eine zu ahndende Pflichtverletzung desjenigen, der dies so entscheidet).
Das auf Grundlage des § 47 Abs. 3 BeamStG beruhende Saarländische Disziplinargesetz (SDG) kennt folgende Maßnahmen:
- ein Verweis,
- eine Geldbuße,
- die Kürzung der Dienstbezüge,
- die Zurückstufung oder
- die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis,
- Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehalts.
Das Disziplinarverfahren selbst ist recht formalistisch und kompliziert. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie im Falle eines drohenden oder gerade eingeleiteten Verfahrens gegen Sie so schnell wie möglich über den SLLV Rechtsschutz beim DBB beantragen sollten. Fehler können hier irreversibel sein.
Dennoch möchte ich Ihnen noch einige wichtige Hinweise geben:
Sie haben nach § 20 SDG schon bei der ersten Anhörung ein Recht, sich nicht selbst zu bezichtigen, wozu sie belehrt werden müssen.
Hierzu schreibt das OVG des Saarlandes in seinem Beschluss vom 20.11.2017, Az: 7 B 782/17:
„Das bei der Gefahr, sich selbst einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit zu bezichtigen, geltende Auskunftsverweigerungsrecht gilt im Rahmen eines Disziplinarverfahrens entsprechend, wenn die Beantwortung der Frage die Gefahr einer disziplinarrechtlichen Verfolgung bzw. einer – für Tarifbeschäftigte – arbeitsrechtlichen Reaktion des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers nach sich ziehen würde.“
Nach § 17 SDG findet die Einleitung von Amts wegen, nach pflichtgemäßem Ermessen des zuständigen Disziplinarvorgesetzten statt. Ein Dritter (zum Beispiel Kollege, Elternteil) hat keinen Anspruch auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens (BVerwG vom 23.05.2019 –1 WB 8/19).
Nach § 22 SDG kann das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden, wenn die Staatsanwaltschaft mit Ermittlungen desselben Sachverhalts begonnen hat; ist Anklage erhoben, so muss ausgesetzt werden – bis zum Ende des Strafverfahrens.
Ich kann mich nur wiederholen: bei so einem Verfahren kann es um die Existenz gehen. Nehmen Sie frühzeitig, spätestens bei Erhalt der ersten Anhörung durch den Dienstvorgesetzten, den DBB Rechtsschutz in Anspruch! Das ist in keinster Weise ein Schuldeingeständnis, sondern ein kluges Vorgehen, um durch den disziplinarrechtlichen Dschungel möglichst unfallfrei zu gelangen.
Zur Person:
Arnold W. Sonntag, Jahrgang 1973, seit über 13 Jahren Justiziar im Landesvorstand des dbb saar, nebenberuflich lange Jahre Dozent an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, an der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes, an der Verwaltungsschule des Saarlandes und der dbb akademie. Nebenamtliches Mitglied im saarländischen Landesprüfungsamt für Juristen. Seit 2008 in der Landesverwaltung tätig, davor rund 8 Jahre Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei.