Pressemitteilung: Flexible Verweildauer wird zum bürokratischen Instrument – Lehrkräfte und Schulleitungen fühlen sich entmündigt

Pressemitteilung vom 16. September 2025:
Flexible Verweildauer wird zum bürokratischen Instrument – Lehrkräfte und Schulleitungen fühlen sich entmündigt
Aus den Reihen der Grundschullehrkräfte hagelt es derzeit massive Kritik an den aktuellen Regelungen zur flexiblen Verweildauer in der Schuleingangsphase (§ 13a ZVOGS). In einem Rundschreiben an die Schulleitungen der Grundschulen wurde von einem Verweilen der Kinder in Klassenstufe 1 ausdrücklich abgeraten. Aufgrund dessen sind beim Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) unzählige Beschwerden eingegangen – von bitterer Enttäuschung über die Infragestellung der Kompetenz bis hin zu Unverständnis darüber, wieso Kindern, die intensiver Förderung bedürfen, die Chance auf einen misserfolgsreduzierten Start in die Schullaufbahn genommen wird. Für viele Kinder ist ein Verweilen in Klassenstufe 1 die einzig richtige Lösung – und diese Entscheidung muss den Lehrkräften gemeinsam mit den Eltern vorbehalten bleiben. „Das, was hier passiert, ist eine klare Entwertung professioneller Beurteilungskompetenz. Lehrkräfte, die ihre Kinder täglich im Unterricht erleben, werden durch mögliche ministerielle Eingriffe faktisch entmündigt. Das stellt ihre Fachlichkeit in Frage und ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die tagtäglich Verantwortung für die Entwicklung der Kinder tragen“, erklärt Frederike Potthoff, stellvertretende Landesvorsitzende des SLLV und Referentin für Grundschulen. Hinzu kommt, dass wichtige soziale Faktoren – wie emotionale Stabilität, Selbstwertgefühl und die Integration in die Klassengemeinschaft – vom Ministerium kaum berücksichtigt werden. Gerade das Verweilen in Klassenstufe 1 eröffnet Kindern die Möglichkeit, in einer neuen Lerngruppe noch einmal anzusetzen. Über die kommenden vier Jahre können sie nicht nur stabile soziale Beziehungen aufbauen, sondern zugleich ihre Chancen auf nachhaltigen Lernerfolg verbessern. Doch der Elternwille bei dieser Entscheidung wird nach Auffassung des Verbandes weitgehend ignoriert. Besonders viele Rückmeldungen erhält der Verband auch von den Schulleitungen. „An uns sind mehrere Schulleitungen herangetreten, die diese Praxis scharf kritisieren. Sie berichten von einem hohen Frust in den Kollegien, weil die pädagogische Entscheidungshoheit aus der Hand der Schulen genommen wird. Das schafft Unsicherheit, Misstrauen und beschädigt das Vertrauensverhältnis zwischen Schule und Eltern“, betont Potthoff. Ihrer Ansicht nach steht hinter den Regelungen weniger eine pädagogische Idee als vielmehr der Lehrkräftemangel: „Es drängt sich der Eindruck auf, dass dieses Rundschreiben vor allem verhindern soll, dass zusätzliche erste Klassen gebildet werden müssen, die personell nicht abgesichert werden können. Das ist nichts anderes als Mangelverwaltung auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler.“ Der SLLV zieht ein eindeutiges Fazit: Die gesetzlich verankerte flexible Verweildauer wird nun in der Praxis zu einem bürokratischen Instrument, das pädagogische und soziale Aspekte vernachlässigt. Nur Lehrkräfte vor Ort – im engen Austausch mit den Eltern – können verantwortungsvoll und kindgerecht über den Verbleib eines Kindes in der Schuleingangsphase entscheiden. Alles andere ist nicht nur fachlich fragwürdig, sondern auch ein gefährlicher Eingriff in die pädagogische Freiheit und in die Rechte der Eltern.
Die Pressemitteilung im PDF-Format: 2025-09-16 Flexible Verweildauer wird zum bürokratischen Instrument