LuSh – Ausgabe 10/2022 – Dies und Das – Rundfunkinhalte im Unterricht – ist das erlaubt?
Rundfunkinhalte im Unterricht – ist das erlaubt?
Ob Bilder, Videos oder Audioinhalte – urheberrechtlich geschützte Werke dürfen in der Öffentlichkeit nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis wiedergegeben werden. Aber ist die Wiedergabe etwa eines Videos im Klassenverband überhaupt öffentlich? Und wenn nicht: Dürfen dann sogar Veränderungen an einem Werk vorgenommen werden, etwa um es an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen?
Ein Gutachten gibt Aufschluss
Viele Lehrkräfte dürften bei solchen Fragen unsicher sein. Wer im Internet nach Aufklärung sucht, stößt schnell auf widersprüchliche Aussagen. Deshalb hat Wikimedia Deutschland ein Rechtsgutachten erstellen lassen durch Dr. Gerald Spindler, Professor am Institut für Wirtschafts- und Medienrecht der Georg-August-Universität Göttingen. Er hat die relevanten Gesetzestexte und die bisherige Rechtsprechung untersucht und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis:
Lehrkräfte dürfen urheberrechtlich geschützte Werke im Schulunterricht zeigen, solange ein geschlossener Klassenverband oder Kurs vorliegt, denn der ist rechtlich gesehen nicht öffentlich. Eine reine Vorführung für die Klasse, etwa durch direktes Abspielen aus Mediatheken ohne Speicherung auf Endgeräten, ist demnach keine „öffentliche Wiedergabe“ im urheberrechtlichen Sinne. Deshalb muss hier weder eine individuelle Erlaubnis eingeholt werden noch greifen die Quotenerlaubnisse des Urheberrechtsgesetzes für Nutzung im Unterricht. Auch digitale Lehrveranstaltungen sind nicht öffentlich in diesem Sinne, solange eine digitale Zugangsbeschränkung wie etwa Passwortschutz besteht und die Teilnehmendenzahl mit der geschlossener Präsenzformate vergleichbar ist.
Wiedergabe ja,
Speichern und Verändern nein
Gute Nachrichten also für Lehrkräfte. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn Lehrkräfte ein urheberrechtliches Werk speichern oder verändern wollen. Denn alles, was über das reine Vorführen hinausgeht, ist und bleibt als urheberrechtliche Nutzungshandlung klärungsbedürftig. Der wohl wichtigste Vorgang, den es zu vermeiden gilt, dürfte in der Praxis die Speicherung sein. Wer speichert, vervielfältigt das betreffende Werk, und Vervielfältigung ist stets erlaubnispflichtig.
Wollen Lehrkräfte beispielsweise eine Videodatei herunterladen, weil das WLAN im Klassenzimmer zu langsam für das direkte Abspielen aus der Mediathek ist, braucht es die Erlaubnis der jeweiligen Urheber*innen oder es muss von den oben genannten Quotenregelungen gedeckt sein, siehe § 60 a UrhG. Die Verwendung von Werken in Arbeitsblättern ist sogar nicht nur eine Vervielfältigung, sondern auch noch eine Bearbeitung und betrifft somit gleich zwei Urheberrechte.
Öffentliches Geld – öffentliches Gut!
Eine Lösung liegt auf der Hand: Freie Creative-Commons-Lizenzen (wie CC BY und CC BY-SA) ermöglichen es allen Interessierten, die betreffenden Werke zu speichern, zu teilen und zu bearbeiten. Wenn Inhalte maßgeblich mit öffentlichem Geld finanziert werden, wie etwa Eigenproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sollte dies alles für die Öffentlichkeit auch erlaubt sein. Wikimedia Deutschland setzt sich darum seit Jahren dafür ein, dass Wissens- und Bildungsinhalte von ARD, ZDF und Co. zunehmend unter freie Lizenz gestellt werden. Dadurch können zum Beispiel Erklärvideos der ZDF-Reihe Terra X in die Wikipedia eingebunden werden. Und auch Lehrkräfte dürfen Inhalte dann nicht nur im Unterricht zeigen, sondern auch rechtssicher bearbeiten, auf die Bedürfnisse der Schüler*innen zuschneiden und in ihre Lernmaterialien integrieren.
Frank Böker, Jan-David Franke
Das ganze Gutachten gibt es über diesen QR-Code zum Download: