LuSh – Ausgabe 06/2021 – Dies und Das – Corona und Recht: Risikogruppen, Freistellung von der Unterrichtspflicht, Impfungen
Schulrecht to go: Die schnelle Rechtsinformation
Corona und Recht: Risikogruppen, Freistellung von der Unterrichtspflicht, Impfungen
Die Covid-19-Pandemie stellt Schulen weiterhin vor große Herausforderungen, auch wenn nach fast einem Jahr das bis dahin Undenkbare fast schon zur Normalität geworden ist. Auch rechtlich hat die Pandemie vieles bewegt, sowohl im klassischen niedergeschriebenen Recht, also etwa den Landes-Corona-Verordnungen, als auch in der Rechtsprechung und – vor allem – in der Auslegung bestehenden Rechts durch die Kultusverwaltungen. Teilweise geht die Auslegung dabei sehr weit bzw. eilt der formalen Realisierung von Änderungsbedarfen voraus, so etwa in Form weit rückwirkender Gesetzes- und Verordnungsregelungen (z. B. Änderung der Nds. „Verordnung über den Wechsel zwischen Schuljahrgängen und Schulformen allgemein bildender Schulen“ [WeSchVO] vom 23. September 2020 mit Rückwirkung auf die Abschlussprüfungen aus dem Sommer 2020 [Nds. GVBl. 2020, S. 332]) oder in Form von „Minister-Briefen“, Pressemitteilungen und Handreichungen aller Art und Güte, die jenseits von Gesetzen und Verordnungen recht weitreichende Vorgaben machen.
Eine solche Handreichung ist „Schule in Corona-Zeiten – Leitfaden für Schulleitungen, Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte an Schulen“ des Nds. Kultusministeriums. Dieser Leitfaden regelt in seinem Kapitel 5 nach welchen Maßstäben Lehrkräfte, die gesundheitlichen Risikogruppen angehören, dem regulären Dienstbetrieb fernbleiben dürfen. Danach können auf eigenen Wunsch Lehrkräfte, die ärztlich attestiert unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atemsystems, der Leber oder der Niere, Krebserkrankungen oder Immunschwäche-Erkrankungen leiden, im „Homeoffice“ verbleiben, ihre Dienstpflicht bzw. arbeitsvertragliche Pflicht also umfassend von zu Hause aus erbringen. Die Definition der Risikogruppen orientiert sich an der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts. Für die heimische Tätigkeit gilt, dass die Lehrkräfte „von zu Hause aus nach Weisung durch die Schulleitung schulische Aufgaben übernehmen“. Die Schulleitung bleibt also in ihrer (Fach-)Vorgesetztenfunktion (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nds. Schulgesetz), nur der Ort der Arbeitsleistung ist ein anderer.
Ein Ende dieses faktischen „Rechts auf Homeoffice“, das anders als übliche Vereinbarungen zu alternierender Telearbeit nicht mitbestimmungspflichtig gem. dem Nds. Personalvertretungsgesetz ist, da es allein auf die individuelle erkrankungsbedingte Fürsorgepflicht des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers rekurriert, kann sich in verschiedenen Konstellationen ergeben: Die Lehrkraft kann aus freien Stücken auf die heimische Tätigkeit wieder verzichten und in den normalen Schulbetrieb zurückkehren (sofern dieser stattfindet), das Kultusministerium könnte die selbst gewählte relativ liberale Regelung verschärfen (was indes unklug wäre, da es eine Welle von Rechtsstreitigkeiten ungewissen Ausgangs provozieren dürfte) oder die pandemische Lage könnte sich nachhaltig entspannen. Letzteres erscheint derzeit nur durch flächendeckende Impfungen realistisch. Lehrkräfte gehören gem. § 4 Nr. 7 der „Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2“ (Coronavirus-Impfverordnung) zu den Personen, die mit erhöhter Priorität Anspruch auf eine Schutzimpfung haben. Da die priorisierten Personengruppen allerdings eine zweistellige Millionenzahl an Menschen ausmachen, bleibt abzuwarten, wann die Impfungen realisiert werden können. Von einer Impfpflicht für Lehrkräfte, wie sie seit März 2020 gem. § 20 Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes für Masern bei ab dem 1. Januar 1971 Geborenen gilt, ist bislang in der politischen Diskussion noch keine Rede.
Dr. jur. Florian Schröder